Herr Jost, wie sind Sie zur Volkssolidarität gekommen?
Bevor ich zur Volkssolidarität kam, habe ich fast 20 Jahre in der gehobenen Gastronomie gearbeitet. Erst 15 Jahre in der Hotelgastronomie im Hotel Drei Schwanen in Hohenstein-Ernstthal und später in einem Restaurant in Chemnitz. Und dann sprach mich genau zum richtigen Zeitpunkt die Personalleiterin Melanie Tuchscher an und erzählte mir von der offenen Stelle als Bereichsleiter für die Mahlzeitenversorgung der Volkssolidarität Chemnitz. Ich schaute mir alles an und dann stand meine Entscheidung schon sehr schnell fest. Denn die Arbeit in der Zentralküche hat einige Vorteile gegenüber der Restaurantgastronomie. Vor allem die geregelten Arbeitszeiten ohne Arbeiten bis spät in den Abend waren ein wichtiges Kriterium für mich.
In Ihrer Funktion haben Sie mehrere Küchen zu koordinieren. Wie kommen Sie damit zurecht und wie war der Wechsel von der Restaurantgastronomie hin zur Gemeinschaftsversorgung?
Als gelernter Koch und durch meine langjährige Tätigkeit in der Hotel- und Restaurantgastronomie konnte ich bereits einige Erfahrungen sammeln. Der Unterschied zwischen den verschiedenen Gastronomiebetrieben könnte jedoch nicht größer sein. Anfangs war es für mich eine große Umstellung, in solchen großen Dimensionen zu denken. Immerhin kochen wir täglich bis zu 2.000 Portionen. Man muss ganz anders herangehen, muss immer die Beschaffenheit der Produkte im Hinterkopf haben. Da werden Dinge, die eigentlich ganz einfach sind, zu einer großen Herausforderung. Füllt man beispielsweise einen Grießbrei zu spät ab, kann der Kunde zu Hause ganze Stücken herausschneiden. Das will natürlich keiner.
Deshalb ist eine optimale Zeiteinteilung das A und O im Küchenalltag. Die Speisepläne werden etwa vier Wochen im Voraus erstellt, damit rechtzeitig alles Notwendige eingekauft werden kann. Dabei werden auch die Wünsche der Essensteilnehmer berücksichtigt. Zudem ist die Zusammenarbeit mit Lieferanten sehr wichtig. So arbeiten wir nur mit professionellen Händlern zusammen, bei denen die Qualität stimmt und nach den gesetzlichen hygienischen Vorschriften gearbeitet wird.
Hinter einer Küche steht zumeist ein gesamtes Team. Welche Bedeutung hat dieses in Ihrem Bereich?
Unser gesamtes Team arbeitet eng zusammen. In unseren wöchentlichen Teamrunden besprechen wir die Speisepläne und einzelne Gerichte. Wir nehmen uns der Hinweise der Essensteilnehmer an und tüfteln an neuen Gerichten und Produkten. Unsere Rezepte sind vielfach erprobt, gesund, ideenreich und geschmackvoll. Damit die Speisen in einwandfreier Qualität bei unseren Kunden ankommen, müssen die Lebensmittel schonend zubereitet werden. Nur so gelangen wertvolle Vitamine und Mineralstoffe am Ende auch auf den Teller. Zum Einsatz kommt hier „Cook & Chill“.
Was genau bedeutet „Cook & Chill“?
Beim Warmhalten von Speisen über einen längeren Zeitraum gehen Nährstoffe und Vitamine verloren. Durch das sogenannte „Cook & Chill“-Verfahren können wir den Erhalt dieser garantieren. Die Gerichte werden gekocht und in dem Moment, wo noch alle Vitamine und Mineralstoffe im Produkt vorhanden sind, der Garprozess unterbrochen, indem das Gericht innerhalb kürzester Zeit auf wenige Grad heruntergekühlt wird. Das passiert in den sogenannten Chillern, eine Art großer Kühlschrank mit Ventilatoren.
Vor allem für die Belieferung unserer Seniorenresidenzen ist dieses Verfahren optimal. Da die Einrichtungen für zwei Tage im Voraus beliefert werden, könnte man bspw. umdisponieren, wenn bspw. ein Lkw liegen bleiben würde. Aber auch bei unserem „Essen auf Rädern“ hat das Verfahren nur Vorteile. Es kommt hygienisch perfekt und gleichzeitig frisch und lecker bei unseren Kunden an.
Bei einer Großküche denkt man oft nicht zuerst an Frische und Regionalität. Welche Rolle spielen diese Eigenschaften von Zutaten bei der Volkssolidarität Chemnitz?
In den letzten Monaten haben wir viel Neues ausprobiert und in die Arbeitsabläufe integriert. Uns ist es wichtig, dass unsere Kunden, zu denen vor allem ältere Menschen und Kinder gehören, täglich ein gesundes und ausgewogenes Essen erhalten. Aufgrund des Kosten- und Zeitdrucks wird in Gemeinschaftsverpflegungen oft auf sogenannte Convenience-Produkte, also von der Industrie vorgefertigte Produkte, zurückgegriffen. Uns ist es wichtig, dass bei all unseren Gerichten auch frische und vor allem regionale Produkte zum Einsatz kommen. Alles selber frisch zu kochen, ist aber leider nicht möglich. Mit Chefs Culinar haben wir einen Partner gefunden, der für uns Produkte nach unseren Rezepten frisch produziert und liefert.
Sie entwickeln Ihre eigenen Produkte? Wie genau kann man sich das vorstellen?
Wenn man alle Gerichte mit allen Komponenten frisch kochen möchte, bräuchte man zum einen viel mehr Mitarbeiter und zum anderen würden deutlich höhere Kosten anfallen. Allein zum Vorbereiten und Braten von Bratkartoffeln müsste ich bspw. einen Mitarbeiter für sechs Stunden einplanen. Das ist einfach nicht realisierbar. Deshalb kam die Idee auf, eigene Produkte zu entwickeln, die die Industrie für uns herstellt.
Wir haben in einem langen Prozess gemeinsam im Team ein Rezept für eine Frikadelle entwickelt. Das Rezept und alle unsere Wünsche haben wir an unseren Kooperationspartner weitergegeben und dieser produziert es jetzt nach unseren Vorgaben und nur mit den von uns ausgewiesenen Zutaten. Die Frikadellen werden dann frisch und fertig portioniert angeliefert. Wir müssen sie nur noch braten. Und so ist sie entstanden – die Vosi-Frikadelle.
Was gibt es sonst noch Neues in der Zentralküche?
Seit einiger Zeit bieten wir unseren Kunden ein „Gericht der Woche“ an. Das besondere an diesen Gerichten ist, dass es Speisen sind, die normalerweise nicht täglich auf den Tisch kommen, und wir hier größtenteils frische und vor allem regionale und saisonale Produkte verwenden. Unsere Kunden kommen bspw. in den Genuss von Roulade, Zunge, Lachs, frischem Spargel und Pilzen aus Sachsen oder auch mal einer deftigen Currywurst.
Wichtig ist mir als ehemaliger Restaurantkoch natürlich, dass wir auch bei allen anderen Gerichten, wo es geht, frische Produkte einsetzen und immer mehr von rein industriell hergestellten Erzeugnissen wegkommen. So verarbeiten wir bei uns ausschließlich frische Kartoffeln. Das heißt, dass wir u. a. auch den Kartoffelbrei selbst herstellen und kein Pulver verwenden.
Da wir auch immer öfter Anfragen zu bestimmten Unverträglichkeiten erhalten und gerade bei den Bewohnerinnen und Bewohnern in den Seniorenresidenzen häufig auf verschiedene Dinge geachtet werden muss, werden wir künftig die Diät- sowie Allergikeressen selber herstellen. Hierbei unterstützt uns eine ausgebildete Diätköchin.
Gab es auch schon Küchenpannen, bei denen Sie nicht weiterwussten?
Pannen passieren auch den Besten, das bleibt nicht aus, wenn man mehrere Gerichte für so viele Personen auf einmal kocht. An eine Sache kann ich mich noch gut erinnern. Wir hatten einmal eine hohle Roster. Gemerkt haben wir es leider erst, als der Großteil schon ausgeliefert war. Solche Produktionsfehler können natürlich passieren.
Ansonsten ist unser Team so gut eingespielt, dass es noch zu keinen größeren Pannen gekommen ist.
Und noch eine Frage zum Schluss. Was ist ihr Lieblingsgericht?
Es gibt nichts, was ich nicht probieren würde und mir schmeckt fast alles. So richtig gern mag ich aber gute Hausmannskost wie bei Mutti.