Am 1. April 1979 (deshalb der Aprilscherz im Titel) begann meine Tätigkeit im Küchwaldring 22, der heutigen Kindertagesstätte „Glückskäfer“. Es waren für mich unglaublich lebendige Jahre, vollgepackt mit so vielen Veränderungen. 1979 war unser „Glückskäfer“ noch ein Dauer- und Wochenheim für Säuglinge und Kleinstkinder von 0 bis 3 Jahren.
Ich begann meine Tätigkeit damals auf der Säuglingsabteilung und meine Arbeit gefiel mir ausgesprochen gut. Meine kleine Tochter konnte ich als Personalkind mitbringen, damit hat für mich alles gepasst. Wir hatten bei uns auf der Säuglingsabteilung 16 bis 18 Kinder. In der Milchküche haben wir alles selbst gekocht, vom Fläschchen bis zum Babybrei. Die „Allerkleinsten“ waren ja nur wenige Wochen alt. Die Babys wurden täglich gebadet und kamen zum Frischluftschlaf in den Kinderwagen auf den Balkon – da standen oft mehr als zehn Kinderwagen! Bei schönem Sommerwetter haben wir alle Gitterbettchen und Füttertische auf den Balkon bugsiert, die großen Krabbelboxen und Plastikplanschbecken gleich dazu. Das war unsere „Sommerfrische“ und wir freuten uns dabei „diebisch“, wie schön wir es doch hatten (die Arbeit dabei hat uns nicht gestört).
Beim großen Aufräumen wegen eines Gewitters habe ich aus Versehen einen Hausmeister „voll abduscht“ indem ich das Wasser des Bassins auf ihn hochkant über die Balkonbrüstung entleert habe.
Hygiene war damals oberwichtig. Jeder Säugling wurde täglich gebadet. Pro Zimmer acht Wonneproppen zu baden, zu füttern und zu wickeln natürlich. Es gab keine Langeweile. Dazu wurde die ganze Abteilung zweimal täglich frisch gewischt. Am Vormittag nach dem Baden und am Abend noch einmal. Mit den größeren Kindern (2 – 3 Jahre) schauten wir am Abend den Sandmann im Bereitschaftszimmer an, kuschelten alle zusammen auf der Liege und die Minimäuse dufteten herrlich, denn auch die „Großen“ wurden jeden Abend geduscht. Es war eine heimelige, familiäre Atmosphäre und ich habe die Schichtarbeit im Nachhinein gar nicht so schlecht in Erinnerung, obwohl das für meine Familie nicht so schön war.
Umso erstaunter war ich, als 1984 unsere Dauerheimkinder in eine Einrichtung auf die Straße Usti nad Labem umziehen mussten. Die Gründe erfuhren wir nicht. Auch nicht, warum und wieso die Kinder ins Heim eingewiesen wurden. Dies haben wir nie richtig erfahren, wir hatten lediglich unsere Vermutungen.
Das meiste Personal zog mit den Kindern ins neue Heim. Für mich war dies aus familiären Gründen (Arbeitsweg) nicht möglich. So gab es einen neuen Umbruch im Haus, mit viel neuem Personal, neuer Leitung und für uns die größte Umgewöhnung: Eltern und Kinder, die täglich nach Hause gingen. An den Umgang mit Eltern mussten wir uns erst gewöhnen. Im Dauerheim wurden wir zumeist mit „Schwester“ angesprochen. Es gab außer uns Krippenerzieherinnen noch viele gelernte Säuglingsschwestern und wir mussten auch Schwesternkittel bei der Arbeit tragen. Doch es ging besser als gedacht in der Tageskrippe und wir wurden schnell ein gutes „Kollektiv“. Die Arbeit machte Spaß. Mit Kindern zu arbeiten, ist immer spannend, man weiß vorher nicht, was der Tag alles bringt. Und die Zeit fliegt nur so dahin.
Sehr spannend war die Wendezeit. Auf einmal wollten die Eltern, die ihre Kinder bei uns in der Krippe hatten, dass ihre Kinder bei uns bis zur Schule bleiben durften. Sie machten Demos bis ins Rathaus, bis zu den Ratssitzungen. Und tatsächlich ließen dann die meisten Eltern ihre Kinder bis zum Schuleintritt bei uns, weil sie so sehr mit der Betreuung zufrieden waren. Im Gegenzug durften die Kindergärten auch Kinder unter drei Jahren aufnehmen.
Alles, aber auch alles war in Bewegung.
Ich fuhr mit einigen Kolleginnen privat nach Düsseldorf. Dort schauten wir Kindergärten von innen an und tauschten uns mit den Erzieherinnen vor Ort aus. Wieder im Küchwald angekommen, setzten wir einiges, was uns gut gefiel, gleich um – z. B. Kuschelecken aus Matratzen fertigen usw.
Das Jugendamt hat dann gleich derartige Aktivitäten verboten, aber unsere Kuschelecken usw. (selbst gesponsert) durften wir behalten. Alle Krippenerzieherinnen und Kindergärtnerinnen mussten noch einmal auf die Schulbank, Prüfungen und Schulungen absolvieren, denn die Abschlüsse der Fachschulen der DDR wurden nicht anerkannt. Dazu kam noch der sogenannte „Geburtenknick“ und wir hatten alle Angst vor Arbeitslosigkeit und Stundenreduzierung. Auch bei uns im Küchwald gab es einen ständigen Personalwechsel. Obwohl unsere Einrichtung immer voll belegt war, wurden Erzieherinnen entlassen und dafür „Neue“ eingestellt.
Ich habe ganz liebe Kolleginnen verloren, aber wir sind bis heute befreundet. Außer den personellen Veränderungen gab es große Veränderungen in der Bildungsarbeit mit den Kindern. Das einzelne Kind rückte mehr als „Individuum“ in den Fokus. Es wurde vieles infrage gestellt. Z. B.: Müssen alle Kinder zur gleichen Zeit immer und überall das Gleiche tun? Oder: Wie viel Beschäftigung ist sinnvoll? Welche Regeln sollen gelten? Oder soll es gar keine Regeln mehr geben? Usw.
Unsere Einrichtung wurde an der Entwicklung des sächsischen Bildungsplans aktiv beteiligt und dabei von der TU Leipzig begleite. Wir als Erzieherinnen waren auch aktiv involviert, haben sehr viel diskutiert und ausprobiert. Seither ist Veränderung unsere ständigen Begleiter geworden. Die Bedingungen der Familien und Befindlichkeiten der Kinder ändern sich ständig. Wir stellen uns bestmöglich darauf ein, ändern, wo es nötig ist und bewahren, was uns wichtig ist! Im Vordergrund steht das Wohl des Kindes. Ohne Eltern geht es dabei auch nicht – wir, die Erzieherinnen, und die Eltern arbeiten so gut wie möglich zusammen, um den Kindern als Erziehungspartner „starke Wurzeln“ für das Leben zu geben.
Im „Hintergrund“ war mir mein Arbeitgeber, die Volkssolidarität, ein sicherer Hafen. Wir wurden als Einrichtung 1997 von der VOSI übernommen. Die vielen Kündigungen hatten ein Ende, ich fühlte mich nicht mehr von Arbeitslosigkeit bedroht (auch wenn unsere Stunden reduziert wurden). Es gab immer regelmäßig Geld, wir konnten an vielen Weiterbildungen teilnehmen und uns weiterentwickeln. Unser Fokus lag wieder bei den Kindern, weil die äußeren Bedingungen stimmten. Meine Arbeit mit Kindern hat mich „voll ausgefüllt“ und ich denke mit einem weinenden und einem lachenden Auge an die vergangenen Jahre zurück. Die Umstellung als „Neu-Rentner“ ist nicht ganz so einfach, mir fehlt der Umgang mit Kindern und Kolleginnen schon. Deshalb bin ich froh, dass ich durch meinen „Mini-Job“ noch zum Glückskäfer gehöre, obwohl es nur sehr wenig Stunden im Monat sind, aber das ist die Konsequenz als Rentner. Ich bedanke mich beim Team des Glückskäfers für die vergangenen Jahre. Wir haben manches Späßchen miteinander gehabt und oft herzlich miteinander gelacht, oft auch mal über uns selbst.