Nun wird sie verschoben, die „Generationenkonferenz“ der Kulturhauptstadtbewerbung, im Sommer dieses Jahres als Reaktion auf Kritik von unter präsentierten Teilen der Stadtgesellschaft, verschoben vom September auf den Oktober.
Auf ihr soll es eher nicht um das Feiern der älteren Generation gehen, sondern um das aufeinander Zugehen und das generationsübergreifende Agieren.
Da sie so nebenbei auch den sinnigen, neudeutschen Namen „Re:Generation“ trägt, kann uns jetzt nicht mehr stören, denn jeden Samstag übersetzt uns ein Kulturjournalist in der „Freien Presse“ Botschaften der Kulturhauptstadtbewerbung unter der Überschrift Kulturhauptstadt „Do you understand“ ins Reine, Pardon, ins Deutsche so wie „Monitoring“, „Purple Path", „Campus Generation“ usw. Was soll’s, zum Teufel! Chemnitz ist halt Europa! Sollte man meinen.
Neulich hatte ich Gelegenheit, an einem Workshop für Freiwilligenarbeit, ausgerichtet vom Kulturhauptstadtbewerbungsteam, teilzunehmen. Im Mittelpunkt stand ein sogenanntes „Volunteers“, Pardon, „Programm von Freiwilligen“.
Man erfährt immer wieder Erstaunliches, wenn man seine gewohnten, sicheren und behüteten (vier) Wände mal verlässt.
So auch, dass der Anteil von uns Senioren (liebevoll im positiven Fall auch „Graukappen“ genannt) unter zu freiwilliger Arbeit Bereit-Erklärern zunimmt und aktuell wohl 20 % nach dem Renteneintritt dazu bereit sind. Sie betätigen sich in den Bereichen Sport und Bewegung, Kultur und Musik sowie im kirchlichen oder religiösen Bereich.
An vorderster Stelle der Motivation von acht möglichen Motivationen steht, dass die Tätigkeit Spaß macht, dass man anderen Menschen helfen und mit sympathischen Menschen zum Gemeinwohl zusammenkommen kann. Wären auch Ihre Motive dabei?
Mein Staunen über diese interessante Tendenz konnte ich dann auf diesem Workshop auch bei den Teilnehmern erzeugen, als ich in meinen Erinnerungen an das NAW – Nationale Aufbauwerk – im Wohngebiet meiner damaligen Heimatstadt Auerbach im Vogtland „kramte“ und sie zum Besten gab.
Abgesehen davon, dass Aufbauhelfer zwischen 1964 und 1968 als Dank für ihre ehrenamtliche Tätigkeit auch mal auf einer Ehrungsveranstaltung in Berlin unter dem Titel „Mit dem Herzen dabei“ mit dem Moderator Hans Georg Ponesky, zunächst übertragen im Rundfunk der DDR und später im Fernsehen, mit vielen Künstlern und anderen Mitwirkenden angenehme Stunden verbrachten, gehörte sicher mehr dazu.
Will man einigen Erklärern unserer Kulturgeschichte folgen, so sei diese beliebte Sendung ein Vorläufer der Rudi Carell Show gewesen.
NAW Marken wurden, glaube ich, nur bei uns geklebt. Dem ging ich einmal im Staatsarchiv Chemnitz nach, was heute, 60 Jahre danach, in Chemnitz für Spuren blieben. So fand ich in den Unterlagen zum damaligen VEB Großdrehmaschinenwerk „8. Mai“ Leistungsnachweise zu von Betriebsangehörigen geleisteten freiwilligen Arbeitsstunden, aber auch Spenden z. B. für Renovierungsarbeiten am Sportlerheim Rabenstein, Harthweg 233, an denen sich fast alle Sektionen beteiligten.
Eine Abrechnung enthielt beispielsweise 368 Arbeitsstunden (Eine Arbeitsstunde wurde mit 2,50 gleichgesetzt).
Es wurden Arbeitsstunden geleistet für die Renovierung einer Kegelbahn, für die Gestaltung einer Bezirksmesse, für das damalige Pionierlager in Einsiedel und für andere Kinderferienlager, für Stadtfeste, für Weihnachtsfeiern, für die Anlegung einer Rutschbahn in einem Gemeinschaftsbad. Ich fand Abrechnungen für das Transportieren von Abfällen für den Betreiber einer Schweinemast oder Leistungen zur Beräumung und Instandsetzung auf dem Betriebsgelände sowie Wertschaffungsmaßnahmen für Beleuchtung und Lademöglichkeiten.
Betriebsangehörige beteiligten sich freiwillig an Arbeitsstunden im Tierpark Pelzmühle, für den Aufbau des Stadtzentrums (allein 300 Arbeitsstunden vom Mai bis September 1966), für ein Übernachtungsquartier der Sektion „Bergsteigen“, für die Wasserberieselung der freiwilligen Feuerwehr des Betriebes usw.
Scheint wohl eine andere Variante der damaligen doppeldeutigen Kampflosung gewesen zu sein, „dass aus unseren sozialistischen Betrieben noch mehr herauszuholen ist.“
Mit Staunen betrachtete ich ein Dokument über die Einrichtung eines Zentralen Büros des „Freiwilligen Arbeitseinsatzes“ vom 25.11.1945 in Chemnitz oder über eine gemeinsame Funktionärskonferenz im Chemnitzer Luxor von SPD und KPD vom 27.10.1945 zur Organisierung der Volkssolidarität.
Die damalige Sächsische Volkszeitung vom 01.11.1945 berichtete und veröffentlichte ein Foto.
Wie Sie sehen, haben Erinnerungen viele Gesichter, die wir formen, aber auch manchmal vergessen können, manchmal erinnern wir uns auch falsch.
Das meine ich immer beim Vorbeigehen am Denkmal an die Kriegsgefallenen neben der St. Matthäus Kirche an der Waldenburger Straße so zu empfinden. Es handelt sich dabei um eine Erinnerung an gefallene Gemeindemitglieder aus dem Ersten Weltkrieg. Nur haben eben die Opfer meistens nichts mit dem Ehrungsgedanken der Politiker zu tun.
Zudem wurde das Denkmal während der Zeit des sogenannten Dritten Reiches saniert. Es trägt die Inschrift: „Edelsaat will edle Frucht“.
Das scheint wohl besonders falsche Erinnerungen zu wecken, wenn ich an die Opfer und Toten des Zweiten Weltkrieges denke.
In den letzten Tagen des zurückgekehrten Angriffskrieges starben in Chemnitz und Umgegend auch Häftlinge von Todesmärschen, aber auch Einwohner, die sich dem „Endsieg“ widersetzten, so in Siegmar Schönau der Hilfspolizist Carl Hertel, der Verhandlungsführer für die kampflose Übergabe der Stadt Otto Schmerbach und die Einwohnerin von Siegmar Schönau Lydia Georg, mehrfach von „Werwolf“-Angehörigen festgesetzt und letztlich vergewaltigt und getötet.
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, gerade von diesen letzten Kriegstagen zu berichten haben, seien Sie versichert, es gibt offene Ohren dafür.
Am Ende meines Beitrages möchte ich, nicht ohne den unvermeidlichen Ausspruch von Gerhardt Hauptmann, auf die bevorstehende Eröffnung einer Gedenkstätte in der früheren Gefängnisanstalt Kaßberg, Kaßbergst. 17 im Oktober verweisen.
Der neugestaltete Innenraum dieses Gebäudes, früher vorwiegend als Ort von „Terror vor bürgerlichen Fassaden“ bezeichnet, heute, ebenfalls nur vorwiegend, als „Drehscheibe für den Häftlingsfreikauf zwischen DDR und BRD“, wird in den Zellen und im Zellenhaus Biografien von Inhaftierten der gesellschaftlich dominierten Nutzungszeiten zugänglich machen und historische Bezüge anbieten.
Machen Sie sich selbst ein Bild, vielleicht auch gemeinsam mit Ihren Enkeln oder Urenkeln.
Glauben Sie mir, es wird zukünftig noch viel häufiger vorkommen, dass junge Menschen uns beim Erzählen und Berichten verwundert und ungläubig anschauen. Da wäre es dann an uns:
„Wer nicht weiß, was ist, wie will er vorhersagen, was werden soll oder erkennen, was einmal gewesen ist“ (Gerhard Hauptmann 1922 Sämtliche Werke Bd. 6 1966)