Mittwochvormittag im Saal der Begegnungsstätte Clausstraße. Von 10.00 bis 12.00 Uhr ist Probe für den Frauenchor der Chemnitzer Volkssolidarität. Langsam füllen sich die vier Stuhlreihen. Punkt Zehn sind alle da, die an diesem zweiten Januarmittwoch nicht krank oder anderweitig verhindert sind – insgesamt 22 von 31 Sängerinnen. Ein buntes Völkchen trifft sich hier. Mitten in der ersten Reihe sitzt Lisa Heilmann – mittelgroß, Pagenfrisur und Brille, roter Pullover und schwarze Hose. Das Singen macht den Frauen Spaß, ob mit oder ohne Liederblatt. Gleich zu Beginn gibt es Wunschlieder für die Geburtstagskinder der letzten Wochen, als Winterpause war. Dann folgen Gesänge von Frühlingsgrüßen, Sonne und Himmelschlüsseln. Der Chor übt für die kommende schönere Jahreszeit. Für Lisa Heilmann ist das Singen in der Gemeinschaft leidenschaftliches Hobby. Darum wirkt sie auch noch im gemischten Seniorenchor des Stadtverbandes mit, der jeden Montagnachmittag übt. Schon als Kind gehörte sie verschiedenen Singekreisen an. Ein bisschen nachdenklich meint sie, dass sie die Passion vielleicht von ihrem Vater geerbt hat, der seine schöne Stimme gern im Verwandtenkreis erklingen ließ. „In den beiden Chören singe ich mit, weil mich das fit hält“, antwortet Lisa auf die Frage ,Warum‘. „Ich spüre, dass ich daraus neue Kraft schöpfe.“ Sehr gern erinnert sie sich an solche Höhepunkte wie das Singen mit den „Fischer-Chören“ zur Ausstellung am Berliner Funkturm Ende August 1993 und das Chorkonzert im Passauer Dom vor vier Jahren. Und Vorfreude empfindet sie auf das im Mai stattfindende Liederseminar im vogtländischen Schöneck. Angefangen hat bei ihr alles, was mit der Volkssolidarität zusammenhängt, im Jahre 1992. Ihr Ehemann Rolf, mit dem sie öfter Konzerte besuchte, war ein Jahr zuvor verstorben. Da hat sie sich selbst am Kragen gepackt und aus dem Sumpf der Einsamkeit herausgezogen. Zuerst war es die Einladung zu Kaffeenachmittagen, die sie während eines Spaziergangs bei der Begegnungsstätte Scheffelstraße entdeckte und wahrnahm. Darauf folgten der regelmäßige Besuch von Tanzveranstaltungen, die Teilnahme am Schreibzirkel, an Yogastunden, beim Gedächtnistraining und schließlich bei ersten Proben des Frauenchors. Weil sie sich bei der „Soli“ sehr wohl gefühlt hat, wurde sie selbst noch 1992 Mitglied in der Wohngruppe 055 im Heckertgebiet, ausgangs der Stollberger Straße. Als aktive Frau, die sich gern einbringt, übernahm sie dann ab Mitte der 90er Jahre in der Leitung der Gruppe soziale Aufgaben. Sie kümmerte sich um Geburtstagsgratulationen, besuchte kranke Mitglieder, um ihnen Mut zuzusprechen und auf die eine oder andere Weise zu helfen. Ebenso bereitete sie gesellige Veranstaltungen mit vor. Das Kassieren von Mitgliedsbeiträgen und deren Abrechnung war für Lisa Heilmann nie ein Problem. Schließlich hat sie als Bankkauffrau bis zur Rente im Jahre 1989 drei Jahrzehnte bei der Karl-Marx-Städter Sparkasse gearbeitet. Da war sie den Umgang mit vielen Zahlen und wesentlich größeren Summen gewöhnt. Die notwendige Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit, die andere an ihr schätzen, haben ihr die Eltern anerzogen, sagt sie. Diese wichtigen Charaktereigenschaften haben sie und ihr Mann auch an die Söhne Thomas (53) und Jochen (47), die in Chemnitz leben, weitergegeben. Mit zu verdanken ist es der vom Naturell her lebensfrohen Lisa, dass die Choristinnen nicht auseinander gelaufen sind, als die Proben in der Begegnungsstätte Scheffelstraße vor rund vier Jahren aus technischen Gründen nicht möglich waren. Seitdem treffen sich die singenden Seniorinnen in der Clausstraße. Auch als die Leitung des Chores auseinanderfiel, erklärte sie sich bereit, diesen Part mit zu übernehmen, wie Erika Vollrath-Rupf über sie sagt. „Sie engagiert sich sehr für den Chor, verträgt sich mit allen gut, und wenn sie etwas anpackt, geht es klar“, weiß die Sangesfreundin, die ebenfalls dem Chorvorstand angehört. Aus gesundheitlichen Gründen und altersbedingt kassiert und betreut Lisa seit einigen Jahren nur noch die Mitglieder in ihrem Frauenchor. Zuweilen bringt sie zu runden Geburtstagen mit anderen der jeweiligen Jubilarin ein Ständchen. Wenn sie aber einmal in ihren vier Wänden ganz für sich entspannen will, liest sie einen historischen Roman und hört von einer Schallplatte klassische Musik.