Von Tietz und Schocken zu Kaufhof

Zur Geschichte der Warenhäuser in Chemnitz

Seit dem 18. Oktober dominiert ein Palast aus Glas und Stahl die City die Galeria Kaufhof. Das rechtfertigt, einmal eine Rückschau auf seine Vorgänger Tietz und Schocken. Um die Jahrhundertwende begann auch in Deutschland die Zeit der Warenhäuser - der Großbetriebe im Handel - mit der unter einem Dach konzentrierten massenhaften Vielfalt von Konsumerzeugnissen aller Branchen und Warengruppen. Das traf auch für Chemnitz zu.

 

Kaufhaus H. & C. Tietz

Am 4. März 1904 eröffnete mitten im belebten Stadtzentrum, Ecke Post und Innere Johannisstraße (am heutigen Johannisplatz) das erste Chemnitzer Warenhaus, das Geschäftshaus H. & C. Tietz. Es wurde zu einem Magnet für die Bevölkerung von Chemnitz und Umgebung und erfreute sich binnen kurzem großer Beliebtheit, so dass auch die Umsätze beträchtlich stiegen. Diese aufstrebende Entwicklung setzte bald neue Akzente. Und so wurde nach den Plänen des Düsseldorfer Architekten Prof. Wilhelm Kreis in nur elf Monaten der noch heute existierenden Monumentalbau an der Poststraße (heute Bahnhofstraße) errichtet und am 23. Oktober 1913 eröffnet. Der "größte Einkaufspalast Sachsens" hatte einen nutzbaren Flächeninhalt von 25.000 m2, auf denen 850 Beschäftigte in 60 Spezialabteilungen die Bedürfnisse der Kunden befriedigten. Der Bau hatte eine Gesamtfassadenfront von 250 Metern mit drei Hauptportalen und 27 Schaufenstern. In den Jahren 1926127 erfolgte nochmals eine bauliche Erweiterung nach Plänen des Chemnitzer Architekten Erich Basarke. Die Geschichte des Kaufhauses Tietz ist mit einem schrecklichen Abschnitt deutscher Geschichte verknüpft. Am 1. April 1933 wurde das Kaufhaus von den Nazis boykottiert. Am 13. August 1934 zwang man Tietz, einen vordiktierten Ausscheidungsbrief aus dem Unternehmen zu unterschreiben. In der Progromnacht am 9. November 1938 schlugen SA-Leute die Schaufenster ein. Der Geschäftsführer des Kaufhauses, Hermann Fürstenheim, wurde in seiner Wohnung, Weststraße 13 brutal ermordet. Am 5. Dezember 1938 meldete der Kaufmann Gustav Gerst für das Kaufhaus Tietz Zahlungsunfähigkeit an. 1939 wurde das Warenhaus als Grundbesitzgesellschaft mbH "arisiert" (enteignet). Später übernahm es die Kriegsmarine als Bekleidungslager. Bei den Luftangriffen im Februar /März 1945 erlitt der Gebäudekomplex schwere Zerstörungen. Nachdem nach den ersten Aufräumungsarbeiten am 3. Dezember 1945 ein erster Verkaufsraum als "ERWK ( Erzgebirgisches Warenhaus) eröffnet worden war, erfolgte in den Jahren 1958 bis 1962 eine Wiederherstellung des Komplexes mit dem Aufwand von 13,3 Mio. Mark Am 29. März 1963 konnte es als HO-Warenhaus mit einer Geschäftsfläche von 10.500 m2 eröffnet werden. Ab 1. Januar 1965 erfolgte seine Aufnahme in den Warenhauskomplex "Centrum". Seit dem 1. Januar 1991 gehörte das traditionsreiche Kaufhaus zur Kölner Kaufhof Warenhaus AG. Nunmehr wartet es auf seine neue Zweckbestimmung als "Kultur-Kaufhaus", in dem z.B. die Stadtbibliothek und die Volkshochschule ein neues Domizn finden sollen.

 

Kaufhaus Schocken KG a.A.

'Wirtschaftlich wertvoll und wünschenswert ist nur der Kauf und Verkauf, der beiden Teilen, dem Käufer und Verkäufer, gleiche Vorteile bringt." Das war das Credo des Kaufhauskonzerns Schocken KG a.A., der am 15. Mai 1930 in der Brückenstraße 9 sein bisher größtes Kaufhaus in Deutschland mit 1.000 Mitarbeitern eröffnete. Das Objekt war von dem Architekten Erich Mendelsohn 1929130 errichtet worden. Das Objekt, das die 'Volksstimme" als einen "imposanten, das Stadtbild belebenden Bau wertete, wurde in der Folge außer seiner eigentlichen Zweckbestimmung auch zu einem nüchternen Zeugen der Zeitgeschichte. Als jüdisches Unternehmen war die Schocken KG a.A. mit der Errichtung der NS-Diktatur Anfeindungen und Drangsalierungen ausgesetzt. Es begann mit dem Geschäftsboykott am 1. April 1933 und führte zur "Reichskristallnacht" am 9. November 1938. Im Prozess der "Arisierung" wurde das Objekt beträchtlich unter realem Wert verkauft. Ab 9. November 1938 firmierte das Unternehmen als Kaufstätte Merkur AG. Während des Krieges, im Jahre 1943, wurden in Räumlichkeiten der Verkaufsstätte durch die NSDAP-Gruppen Chemnitz waggonweise Kleidungsstücke ermordeter Opfer aus dem KZ Lublin deponiert, durch ausländische Zwangsarbeiter sortiert, gereinigt und ausgebessert und dann an die ausländischen Arbeitssklaven in den Lagern der Stadt verkauft. Das durch Kriegseinwirkungen 1945 stark beschädigte Kaufhaus nahm unmittelbar nach Kriegsende mit 190 Mitarbeitern den Betrieb wieder auf. Vom 15. Januar 1947 bis 10. März 1947 war in dem Gebäude eine Tauschzentrale der Volkssolidarität untergebracht. Im Ergebnis des Volksentscheides in Landeseigentum überführt, wurde es zunächst der Konsumgenossenschaft übergeben. Am 15. November 1948 erfolgte hier die Eröffnung des ersten "Freien Ladens" von Chemnitz, in dem Waren ohne Lebensmittel - oder Bekleidungspunktkarte zu beträchtlich erhöhten Preisen erworben werden konnte. Im Januar 1952 übernahm die HO das Warenhaus und führte es ab 1965 als "Centrum-Warenhaus". Seit Januar 1991 gehörte das denkmalgeschützte Objekt der Kölner Kaufhof AG. Und nun ist für das ehemalige Kaufhaus eine Nutzung durch das Museum für Landesgeschichte aus Dresden im Gespräch.

aus VS Aktuell 4/2001, erschienen im  VS Aktuell 4/2001 Aus der Stadtgeschichte