Der Sommer reizt, auch unserem Tierpark an der Pelzmühle wieder einmal einen Besuch abzustatten. Dazu soll vorher noch ein Ausflug in die Chemnitzer Tierpark- Geschichte unternommen werden. Mit der Entwicklung von Chemnitz zur Großstadt am Ende des 19. Jahrhunderts wurde in der Diskussion um die Erhöhung der Attraktivität der Stadt auch die Frage der Errichtung eines zoologischen Gartens auf die Tagesordnung gesetzt. Charakteristisch war dabei, dass Initiative und Realisierung für Jahrzehnte bei Gastwirten lag und ein städtischer Tierpark damals noch nicht zustande kam. Als Erster gestaltete der Besitzer des Gasthauses „Scheibe“ an der Blankenauer Straße 70 am Ende des 19. Jahrhunderts seinen Restaurationsgarten zum „Tiergarten Scheibe“ um und schuf damit ein überaus beliebtes Ausflugsziel. Dieses verfügte außer einer größeren Anzahl kleiner Säugetiere und Vögel sogar über Bären, Löwen und Wölfe. Der Tiergarten bildete oftmals das Ambiente für interessante ethnographische Veranstaltungen, sogenannte „Völkerschau- Vorführungen“. Am 27. Mai 1916 wütete eine Windhose über dem Nordviertel. Dabei wurde der „Tiergarten Scheibe“ auf das Schwerste verwüstet. Was an Tieren überlebte, fiel der akuten Futternot des 1. Weltkrieges zum Opfer. Damit war das Aus für den ersten Chemnitzer Tierpark besiegelt. Die nächste Tiergarten-Initiative startete der Besitzer des „Gasthauses zur Linde“, das seinen Standort dort hatte, wo sich heute das Günnewig-Hotel „Europa“ befindet. Hier existierte über sechs Sommerhalbjahre von 1925 bis 1930 als tiergärtnerische Besonderheit der „Chemnitzer Sommerzoo“. Die Tiere, die hier sommers gezeigt wurden, stammten aus dem Leipziger Zoo und kamen dorthin wieder in das Winterquartier. Nachdem sich im September/ Oktober 1924 ein Pilotprojekt mit 500 Tieren vom Insekt bis Großsäugetier bewährt hatte, erfolgte im darauf folgenden Jahr unter der Leitung des Direktors des Leipziger Zoos, Dr. Gebbing, eine generelle Neugestaltung des Areals unter Beibehaltung des Charakters der Gartenanlage nach modernen Gesichtspunkten. So wurde ein Freigehege für zehn Löwen errichtet, wie auch ein Affenfelsen für 30 Mantelpaviane, ein Becken mit drei Seelöwen und eine Felsenanlage für vier Malayenbären. Eine ganz besondere Neuerung bildete die Dreiheit von Aquarium, Terrarium und Insektarium. Die Eröffnung der Zoo-Filiale „Chemnitzer Sommerzoo“ erfolgte am 29. Mai 1925. Der Zoo umfasste insgesamt mehr als 500 Tiere (nicht gerechnet die Insekten, die 70 Arten repräsentierten). Finanzielle Schwierigkeiten brachten das Unternehmen in der Weltwirtschaftskrise zum Scheitern. Am 22. September 1930 kam für den Chemnitzer Sommerzoo das endgültige Aus. Auch die nächsten Vorhaben waren nur kurzzeitiger Natur. Das traf für den Versuch des Tiergarten-Wiederaufbaus am Gasthof „Scheibe“ mit Hilfe des Dresdner Zoos 1932 ebenso zu, wie für die Affenanlage im Ausflugslokal „Pelzmühle“ bis Kriegsende. Der erste Versuch, einen städtischen Tiergarten einzurichten, liegt etwas mehr als 100 Jahre zurück. Im Herbst 1903 war das Projekt, einen städtischen zoologischen Garten auf Aktienbasis auf dem Goldborn- Terrain im Zeisigwald einzurichten, ins Auge gefasst worden. Doch trotz großen Engagements der städtischen Kollegien, insbesondere auch von Oberbürgermeister Dr. Beck, blieb der Plan aus finanziellen Gründen auf dem Papier. Erst die nächste Initiative auf Drängen der Bürger führte zum Ziel. Am 31. Mai 1964 erfolgte an der „Pelzmühle“ die Eröffnung eines Heimattiergartens mit etwa 100 Tieren. Bereits im ersten Jahr wurden 100.000 Besucher gezählt. Ab Mitte der 70er Jahre spezialisierte sich die Einrichtung auf die Zucht und Haltung von Tieren Osteuropas und des asiatischen Teils der Sowjetunion. In seiner Entwicklung erfuhr der Tierpark stets große Unterstützung durch die Bürger der Stadt. Seit der Wende wird ein Konzept verfolgt, das speziell die Haltung und Fortpflanzung gefährdeter und bedrohter Tierarten sowie die Ausstellung besonders interessanter und attraktiver Tiere vorsieht.
Chemnitzer Tierpark-Historie
aus VS Aktuell 2/2004, erschienen im VS Aktuell 2/2004 Aus der Stadtgeschichte