Der 10. April 2005 ist ein trüber, kühler Sonntag. Erst am späten Nachmittag reißt die graue Wolkendecke etwas auf, lässt Platz für ein paar Sonnenstrahlen. Auf dem Ettersberg bei Weimar begehen einige tausend Antifaschisten den 60. Jahrestag der Selbstbefreiung des KZ Buchenwald. Zu ihnen gehört Hein Spitzner mit seiner Frau Ursula sowie Freunden und Bekannten aus Chemnitz. Sie lenken ihre Schritte zum ehemaligen Krematorium, legen dort Blumen nieder, gehen vorbei am Pfahl, an Barackenstandorten und Gedenktafeln zum Museum. Hier ist das Grauen des Nazi-Systems akribisch festgehalten - zur Mahnung. Die älteren Besucher sind nicht zum ersten Mal da. Auf die Frage, warum er nach Buchenwald gekommen ist und auch an der bewegenden Kundgebung mit überlebenden einstigen Häftlingen teilgenommen hat, antwortet Hein: „Das ist mein Bekenntnis.“ Gerade den 60. Jahrestag der Befreiung des deutschen Volkes vom Faschismus dürfe man nicht Neonazis überlassen. Auch darum habe er, der mit 16 Jahren im Januar 1945 noch zu Hitlers Kriegsmarine eingezogen worden ist, gemeinsam mit anderen am 5. März eine Mahnveranstaltung im Chemnitzer Zentrum organisiert. Hier ist das Einzugsgebiet seiner Wohngruppe 03. Zu dem Gedenken gegen Krieg und Vernichtung waren immerhin rund 150 Leute an die Glastafel vor der Alten Post gekommen. Ebenso reges Interesse fand der von Hein Spitzner im Cafe´ Am Rosenhof organisierte 5. offene Seniorentreff zur Vorbereitung des Tages der Befreiung. Da berichtete Marga Simon, eine Tochter von Ernst Enge, über den Widerstandskampf ihres Vaters gegen das Hitlerregime und über Bombenangriffe auf die Stadt. Geschildert wurde der Weg eines Auschwitz-Überlebenden, und Elfriede Wüsteneck aus der Wohngruppe 03 erzählte vom schweren Anfang, als viele Chemnitzer Frauen die Kriegstrümmer beseitigen halfen. Bei solchen Begegnungen, wo er etwas bewegen kann, wo er die Interessen der Seniorinnen und Senioren trifft, ist Hein in seinem Element. Ziemlich jeder in der Wohngruppe kennt und achtet sein Organisationstalent. Aktiv zeigt er sich, wenn es gilt, Mitgliederversammlungen vorzubereiten oder Frauentagsfeiern im Ratskeller zu gestalten. Da greift er auch gleich mal zum Mikrofon und spricht ein paar Begrüßungsworte. Das ganze Jahr über nimmt er Ideen und Vorschläge von Mitgliedern auf und bemüht sich dann, daraus und aus eigenen Vorstellungen einen Veranstaltungsplan zu erarbeiten. Aus „wir müssten mal“ oder „wir könnten“ wird dann „wir machen das“. So wurde der Besuch im Chemnitzer Schulmuseum geplant. So ist gegen Jahresende die beliebte „Lichterfahrt“ vorgesehen. Dabei spricht Hein Spitzner gern mit Leuten, die gewillt sind, für ihre Mitbürger etwas Gutes zu tun. Er ist kein Einzelkämpfer, pflegt und nutzt viele Kontakte im Wohngebiet, zur PDS und zur Bürgerinitiative, zu Geschäftsleuten am Rosenhof und natürlich zum Reisebüro der Volkssolidarität. Fragt man den gelernten Betriebselektriker mit der untersetzten, breitschultrigen Gestalt, woher sein Organisationstalent kommt, muss er erst überlegen. Dann erfährt man von seiner Arbeit im Heimatkreis Aue bei der Demontage 1946, gleich nach der Kriegsgefangenschaft, von der Zeit bei der Wismut untertage, vom Armeedienst, von verantwortlichen Funktionen in FDJ und GST. Zu organisieren gab es da überall genug. Und das habe ihm schon immer Spaß gemacht, so eben auch bei der Volkssolidarität, der er seit den 70er Jahren angehört. Als Volkshelfer kassiert er in seinem Punkthaus am Anfang der Zwickauer Straße schon etliche Jahre 16 Mitglieder. Stellvertretender Leiter der Wohngruppe 03 ist er von 1998 an, übernimmt viele Aufgaben, die die Leiterin auf Grund zunehmender beruflicher Belastungen als Apothekerin nicht mehr ausführen kann. In mehreren individuellen Gesprächen hat er Mitglieder für den Wohngruppenvorstand gewonnen, ebenso drei der insgesamt 16 Volkshelfer. Zur Zeit setzt er sich aktiv mit ein für die Vorbereitung des Rosenhoffestes, das mit Modenschau, Musik, Tanz und Kinderspielen am 9. Juli starten soll. Und auch hier heißt es bei Hein Spitzner: Organisation ist alles!