Aus der Stadtgeschichte: Chemnitzer Jahrmärkte

Märkte übten zu allen Zeiten bis heute auf die Menschen eine große Anziehungskraft aus. Die Chemnitzer Markttraditionen reichen weit zurück in die Vergangenheit.
Den Ausgangspunkt bildete die Verleihung der Marktgerechtigkeit an die seinerseits noch unbedeutende Siedlung am Fuße des Benediktinerklosters (heute Schloßbergmuseum) durch König Konrad III. im Jahre 1143, d. h. das Recht, öffentliche Märkte abzuhalten. Der Markt wurde auf den Tag des Schutzheiligen St. Jakobius, auf den 25. Juli, festgesetzt. Im Jahre 1412 wurde Kempnicz durch Kurfürst Friedrich I. ein zweiter Markt zugestanden, der acht Tage nach Allerheiligen, also am 9. November, abgehalten werden durfte. Damit besaß Chemnitz fortan einen „warmen“ und einen „kalten“ Jahrmarkt. Die Jahrmärkte gliederten sich in einen Handels- und einen Vergnügungsteil.
 Die ersten Märkte fanden rings um die Jakobikirche, besonders unter den Lauben, statt. Während sich die Besucher dort zuerst noch an Puppen- und Kasperspielen ergötzen konnten, wurde der Vergnügungsteil später auf dem Schützenplatz bei der Apollo-, Gustav-Freytag- und Schützenstraße abgehalten. Mit der enormen Ausdehnung des Marktbetriebes, der auch zahlreiche Händler und Schausteller aus dem näheren und weiteren Umland anzog, verzeichnete 1825 das Polizeiamt 1782 Stände für Handel und Volksbelustigung im Stadtgebiet. Doch bald reichten die freien Marktplätze auch hier nicht mehr aus und so erfolgte die Verlegung der Jahrmärkte auf den Neustädter Markt in der Angervorstadt (heute Theaterplatz). Mit dessen Bebauung wurden die Märkte auf dem ehemaligen Nordplatz (Areal des früheren Elt-Werkes) lokalisiert. Doch durch dessen Bebauung wurde wieder nur eine Interimslösung geschaffen. Deshalb peilte die Stadtverwaltung eine langfristig dauerhafte Veränderung an. Anfang September fiel die Entscheidung zur Verlegung des Chemnitzer Jahrmarktes auf das städtische Areal an der Planitzstraße.
 Die Einebnungs-, Verfüllungs- und Befestigungsarbeiten gingen jedoch nicht im geplanten Umfang voran. Deshalb konnte 1913 auf der „Planitzwiese“ der Vergnügungsjahrmarkt sowie der „Handel mit Eßwaren, Obst, Galanteriewaren“ durchgeführt werden, während der Handelsjahrmarkt nochmals im Bereich der inneren Stadt, auf dem Brühl, in der Theater- und Brückenstraße – streng nach Warensortiment getrennt – abgehalten wurde. Der Markt währte vom 20. bis 23. Juli 1913. Bemerkenswert, dass manche Firmen ihren Beschäftigten für den Montagnachmittag zum Besuch des Jahrmarktes „frei gaben“.
 Der gesamte neue Jahrmarktplatz, in der Folge „Planitzwiese“ genannt, umfasste eine Fläche von 81.570 m². Das Terrain wurde beschleust, mit elektrischer Beleuchtung auf 17 Masten ausgestattet, zum An- und Abtransport von zwei Straßen durchzogen und mit öffentlichen Sanitäranlagen versehen. Für den Brandschutz wurden neun Hydranten installiert. Sieben Brunnen sicherten den Bedarf an Trink- und Gebrauchtwasser aus der städtischen Wasserleitung. Als Führungszentrum entstand ein Verwaltungsgebäude mit Polizei-, Feuer- und Sanitätswache. Am Eingang des Platzes war ein Zelt für die Aufbewahrung von Kinderwagen und Fahrrädern errichtet worden. Der Handelsmarkt gliederte sich in acht Abteilungen mit festbestimmten Warensortimenten. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Handelsmarktes waren es ca. 800 Buden und Verkaufsstände.
 Hinter dem Handelsmarkt nach dem Zeisigwald befand sich der Vergnügungsmarkt. Dieser war mit Karusells, Schaukeln, Schießbuden und Schauständen besetzt, in denen schaurige Weltereignisse vorgestellt, „Wilde“ und „Menschenfresser“ zur Schau gestellt wurden. Dazu sorgten Kapellen für die entsprechende musikalische Untermalung. Um den Jahrmarktplatz bequem erreichen zu können, wurde dorthin eine zweigleisige Straßenbahnlinie geführt.
 Der erste komplette Jahrmarkt auf dem neuen Standort fand vom 19. bis 22. Juli 1914 statt. Von diesem Zeitpunkt an war es – abgesehen von den Einschränkungen in der Zeit der beiden Weltkriege – für alle Chemnitzer ganz einfach ein Muss, auf dem „Gahrmarkt“ gewesen zu sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es wieder eine erhelbliche Veränderung. Da den in unmittelbarer Nähe garnisionierten sowjetischen Truppen aus Gründen der „Wachsamkeit“ die Kontaktnähe zur deutschen Bevölkerung nicht genehm war, fand auf der „Planitzwiese“ kein Jahrmarkt mehr statt. Nach einem Interimsstandort an der Straße der Nationen (heute Wohnbauten) wurde der Vergnügungsjahrmarkt nunmehr unperiodisch auf dem heutigen Hartmannplatz abgehalten, während der Handelsjahrmarkt einmal im Monat auf dem Markt und Neumarkt stattfand. Aus der einstigen „Planitzwiese“ ist zwischenzeitlich ein attraktives Gewerbegebiet entstanden.

aus VS Aktuell 1/2011, erschienen im  VS Aktuell 1/2011 Aus der Stadtgeschichte