Chemnitzer Brautraditionen

Das erste Bier in unserem Gebiet wurde im Benediktinerkloster auf dem Schloßberg für den ausschließlichen Eigenbedarf der Mönche gebraut. Doch auch bei den Bürgern unserer Stadt hatte das Bier bereits im frühen Mittelalter einen hohen Stellenwert als Nahrungs- und Genussmittel. Schon 1334 verlieh Margraf Friedrich der Stadt Chemnitz das Privileg der Bierbannmeile, innerhalb derer kein „fremdes“ Bier gebraut oder verkauft werden durfte. Kommunale Trägerin des Brauwesens war somit die Bürgerschaft. Den Umfang verdeutlicht die Tatsache, dass im Jahre 1523 von den etwa 2.000 Einwohnern der Stadt 175 Bürgern die Braugerechtigkeit zuerkannt worden war. Ihre Häuser trugen als Symbol des „Reihenschankes“ das „Bierzeichen“. Diese Brauherren hatten vielfach auf ihren Grundstücken Braupfannen und Mälzereien eingerichtet, um den edlen und allerwärts beliebten Gerstensaft selbst herzustellen. Andere, die nicht die erforderlichen materiellen Voraussetzungen besaßen, ließen ihr Gebräu von einem brauberechtigten Bürger erzeugen. Die dritten schließlich gaben die Herstellung in ein „Rats Brauhaus“ als Lohnarbeit.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch besaß das Chemnitzer Bier nicht mehr den besten Ruf, weil „das bei hiesiger Stadt gebraute Bier sehr schlecht und gering ausfall […]“. Der Rat der Stadt war deshalb bemüht, das Brauwesen wieder gebührend in die Reihe zu bringen. Dazu gehörte die 1825 erlassene „Schrott-Ordnung“, die interessanterweise auch festlegte, dass das Leergut innerhalb von acht Tagen mit einem Trinkgeld (Pfand) und sauber gereinigt zurückzugeben war. 1833 erfolgte eine grundlegende Brauerei-Reform in Chemnitz, wonach drei Sorten, ein „lichter“ und ein „braunes“ sowie ein stärkeres Tafelbier gebraut werden durften. Dabei tauchte erstmals der Begriff des Flaschenbieres auf. Die Realisierung der Reform erfolgte durch 221 brauberechtigte Bürger, die in drei Braugesellschaften zusammengeschlossen waren, die je über ein Brau- und ein Mälzhaus verfügten. Daran erinnert uns heute noch die Brauhausstraße im Reitbahnviertel. Mit dem 1861 von der sächsischen Staatsregierung erlassenen Gewerbegesetz wurden den Braugesellschaften die Privilegien genommen. Daraufhin schlossen sich 1870 27 ehemals brauberechtigte Bürger zu einer „Allgemeinen Chemnitzer Braugenossenschaft“ zusammen, die dann 1875 mit 54.000 Mark entschädigt wurde.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahm in Chemnitz die industrielle Bierherstellung ihren Anfang, wobei die neuentstehenden Brauereien aus der unmittelbaren Stadt in die Vorstädte verlagert wurden. Zuerst errichtete der Gastwirt und Braumeister Conrad Heinrich Weber 1856 in Hilbersdorf die Waldschlößchen-Brauerei. Es folgte am 15. April 1857 die Gründung der „Actien-Lagerbier-Brauerei zu Schloß Chemnitz“, deren Logo ein Mönch wurde, der einem Storch im Nest einen überschäumenden Krug Bier kredenzte. Es folgten die Einweihung der Bergschlößchen-Brauerei an der Zschopauer Straße 184 am 21. April 1864 und im Jahre 1866 die Brauerei von Gottlob Andreas Dittrich an der Limbacher Straße. Seit 1868 liefert die Chemnitzer Feldschlößchen-Brauerei im Kappelbachtal bis heute kühles Blondes in die Stadt. Am 7. Juli 1869 wurde in der Germania-Brauerei Gablenz, Augustusburger Straße 329, das erste Bier gebraut. 1876 wurde auf dem Areal des ehemaligen Stadtgutes „Storchennest“, Roonstraße (heute Horst-Menzel-Straße), die Societäts-Brauerei errichtet, im Jahre 1874 die Bergt-Privatbrauerei in Reichenbrand, am 29. August 1885 die Brauerei von Emil Schwalbe in Einsiedel und schließlich 1894 die W. Wanja-Brauerei Altchemnitz, Annaberger Straße 110, in Betrieb genommen. Brauereien existierten zudem auch in Nieder- und Oberrabenstein. Die meisten der einstigen Brauereien existieren heute aus den verschiedensten Gründen nicht mehr. Im Sommer 1946 wurden die verbliebenen Chemnitzer Brauereien enteignet bzw. zu Beginn der 1960er als Betriebe mit staatlicher Beteiligung in den VEB Getränkekombinat Karl-Marx-Stadt umgewandelt. Seit den 1990er Jahren sind sie Kapitalgesellschaften.  

aus VS Aktuell 3/2011, erschienen im  VS Aktuell   VS Aktuell 3/2011 Aus der Stadtgeschichte