„Jeder Mensch hat das Recht auf angemessenen Wohnraum.“ Das ist in Artikel 28 der Berliner Landesverfassung festgeschrieben. Dr. Heidi Knake-Werner, Vorsitzende des Landesverbandes Berlin der Volkssolidarität, erinnerte am 26. November daran. Sie tat das auf der Sozialpolitischen Tagung der Volkssolidarität zum Thema „Wohnen im Alter in städtischen Ballungsräumen – bezahlbar, altersgerecht, sozial integriert“. Die Landesvorsitzende fügte mit Blick auf Berlin hinzu: „Die Realität sieht anders aus und Besserung ist nicht in Sicht.
Was Dr. Knake-Werner für die Hauptstadt beschrieb, bestätigte schon zuvor Dr. Hanna Haupt vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg (SFZ) e.V. Sie wertete Untersuchungen in drei Berliner Stadtbezirken aus. Diese zeigten ihren Worten nach, dass die sinkenden Alterseinkommen nicht nur die Wohnsituation Älterer beeinflussen, sondern auch deren Chancen für soziale Teilhabe. Immer mehr Menschen im Rentenalter würden darauf mit Rückzug ins Private reagieren. Der Wunsch, in den eigenen vier Wänden bleiben zu können, hänge auch zusammen mit den geringen Möglichkeiten, Angebote des Betreuten Wohnen wahrnehmen zu können. „Das Einkommen bestimmt wesentlich die Lebensqualität“, stellte Dr. Haupt klar. Sie forderte, die soziale Integration von Älteren zu sichern.
Für die Rentner, die in der Hauptstadt etwa 20 Prozent der Bevölkerung ausmachten, stünde nur ein Anteil an Wohnungen, die altersgerecht sind, von zwei Prozent gegenüber, beschrieb Dr. Knake-Werner die Lage. „Die Sicherung von angemessenen Wohnungen ist eine soziale Frage“, machte die Landesvorsitzende der Volkssolidarität klar. Inzwischen müssten bis zu 40 Prozent der Rente für Miete aufgewendet werden. Es gebe Versäumnisse in der Wohnungspolitik für Ältere und Arme. Doch anstatt diese zu beheben, setzten die politisch Verantwortlichen wie beispielsweise der Berliner Senat allein auf den Markt, kritisierte Dr. Knake-Werner. „Doch der Markt richtet sich nicht nach menschlichen Bedürfnissen. Die Kaufkraft entscheidet.“ Das zeige sich auch an der Entwicklung, dass vorrangig für zahlungskräftige Mieter und Wohnungseigentümer neu gebaut werde und zu wenig sozialer Wohnungsbau erfolge.
Das und den Zusammenhang mit der Kaufkraft bestätigte auf der Tagung u.a. Dr. Christian Lieberknecht vom GDW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. Er zeigte anhand der Kostenrechnungen, dass sich nur Investitionen für Wohnungsbau im oberen Preisbereich lohnen. Nur so könnten die Aufwendungen über Mieten oder Verkauf wieder refinanziert werden. Es sei schon ein Problem, nach einer Modernisierung Mieten zu erzielen, die die Investitionen decken. Bundesweit sei die Zahl der Sozialwohnungen von 2002 bis 2012 um 953.000 gesunken, so Dr. Lieberknecht. Er erwarte von der Politik eine angemessene Förderung als Ausgleich, sprach sich aber auch gegen eine Mietpreisbremse aus.
Zuvor hatte Reiner Wild, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins im Deutschen Mieterbund (DMB), auf die „große Lücke zwischen Bedarf an sozialem Wohnraum und dem Angebot dafür“ hingewiesen. Das schließe das altersgerechte Wohnen mit ein. Wild erinnerte daran, dass Wohnen als Grundbedürfnis nicht allein nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten behandelt werden kann und darf. Er verwies u.a. auf das, was der Mieterbund fordert mit dem Ziel, bezahlbares Wohnen und Mieterschutz zu sichern.
Werden keine Lösungen der drängenden und zunehmenden Probleme gefunden, droht Rentnern der „soziale Wohn-Abstieg“, warnte auf der Tagung Matthias Günther vom Pestel-Institut Hannover. Er stellte Ergebnisse der Studie „Wohnen der Altersgruppe 65plus“ vor. Er beschrieb verschiedene Prozesse, die gerade in Städten zunehmend für Wohnungsknappheit sorgten: Familien blieben in Städten, die „Landflucht“ habe sich umgekehrt und sich der Zuzug in Städte erhöht. Gleichzeitig verlieren die unteren Einkommensgruppen an Realeinkommen, wie er anhand von offiziellen Statistiken nachwies. Die wachsende Altersarmut in den kommenden Jahren sei ein großes Problem, während gleichzeitig die Preise für Wohnen und Energie weiter steigen. Die Menschen müssen ihren privaten Konsum einschränken, beschrieb Günther als Alternative für die Betroffenen.
Was heute schon getan werden kann, um Angebote für altersgerechtes Wohnen zu schaffen, zeigten Grit Weidinger und Martin Gey vom Stadtverband Leipzig der Volkssolidarität. Sie gaben einen Überblick über die Wohnsituation Älterer in der ostdeutschen Großstadt. Dazu gehöre auch das Umfeld, betonten sie. Deshalb arbeite der Stadtverband bei seinen Angeboten u.a. mit kommunalen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften zusammen. Immer wieder zeige sich aber auch dabei das Problem, wie die Projekte finanziert werden könnten, schilderte Gey die Rahmenbedingungen. Die Möglichkeiten Älterer, sich und ihre Interessen in die Wohnungspolitik einzubringen, beschrieb Jochen Rechtenbach von der Landesseniorenvertretung Sachsen-Anhalt. Dabei gehe es insbesondere um selbstbestimmtes Wohnen, vor allem das Umfeld betreffend.
„Das Thema wird uns weiter beschäftigen“, stellte der amtierende Verbandspräsident Dr. Frank-Michael Pietzsch in seinen Schlussworten fest. Die Volkssolidarität sei dabei nicht nur Anwalt sozialer Interessen, sondern selber Anbieter von Betreutem Wohnen. „Es handelt sich um eine Querschnittsaufgabe, die alle Bereiche unseres Lebens berührt.“ Das schließe die drei Säulen der Volkssolidarität mit ein: Sozialpolitische Interessenvertretung, soziale Angebote und Mitgliederverband mit dem Ehrenamt. Der ländliche Raum müsse dabei ebenso beachtet werden, sagte Dr. Pietzsch.