Was das miteinander zu tun hat und vieles mehr, erfuhren die Gäste in der Veranstaltung im Stadtteiltreff Zöllnerstraße am 28. Oktober. Das Team des Stadtteiltreffs Zöllnerstraße hatte zur „Plauderstunde mit einem Kräuterweib“ eingeladen, was einen spannenden Nachmittag versprach. Das Kräuterweib, Angelika Künzel, hatte nicht nur Pflanzen, sondern auch viel Wissenswertes, Skurriles und Lustiges im Gepäck.
Nach ihrem Studium in Chemnitz arbeitete Angelika Künzel viele Jahre als Diplom-Ingenieurin. Nach der Wende wurde es immer schwieriger, Arbeit zu bekommen und so machte sie 2009 aus der Not eine Tugend oder, anders gesagt, ihr Hobby zum Beruf. Sie absolvierte dazu Ausbildungen in Kräuterkunde, Phytotherapie (Pflanzenheilkunde), Kräuterpädagogik und Naturpädagogik und eröffnete eine Kräuterschule, die sie seitdem mit großem Erfolg betreibt. Sie bietet bspw. Kurse und Seminare für Erzieher und Pädagogen an, geht in Schulen und Kindergärten, gestaltet Kräuterführungen für Interessierte im Stadtwald von Oederan, in Braunsdorf und seit diesem Jahr auch im Chemnitzer Zeisigwald. Angelika Künzel lebt und arbeitet in Schönerstadt, einem Ortsteil von Oederan.
Sie sagt: „Die Kräutervielfalt entdecken und mit allen Sinnen erfahren, Freude am ‚Kräutern* und Dankbarkeit für die Schätze der Natur verspüren – dies alles möchte ich mit Ihnen gemeinsam! Und ich bin sicher: Sie werden von der Vielseitigkeit so manchen (Un-) Krautes im besten Sinne überrascht sein!“
In kurzer Zeit verwandelte sich die sportliche Frau in das Kräuterweib mit einem langen Gewand und Kopftuch. In ihrem Körbchen waren Ringelblumen, Beinwell, Wermut, Brennnessel und Pfefferminze – jahreszeittypische Pflanzen, die manchem bekannt sind, aber in ihren Einsatzmöglichkeiten und Heilwirkungen von vielen unterschätzt werden.
Der Exkurs in die Kräuterwelt gestaltete sie sehr interessant. Riechen und Fühlen waren genauso spannend wie das Wissen einer Hildegard von Bingen oder von Kräuterkundlern der Gegenwart. Immer wieder konnte sie Geschichte und Gegenwart in spannenden Anekdoten, Überlieferungen oder wahren Begebenheiten dem aufmerksamen Publikum nahe bringen.
Die Gäste erfuhren Rezepte für einen Liebeszauber mit der Ringelblume, wie ihn junge Mädchen und Männer in alten Zeiten anwandten. Sie erläuterte die Kraft des Krautes bei der Wundheilung, Schmerzlinderung, seine entzündungshemmenden Wirkung und Unterstützung der Verdauung und des Immunsystems. Außerdem eigneten sich die Blüten als essbare Deko für Sommerbuffets.
Ihr Rezept für eine Ringelblumensalbe: Die im Sommer geernteten Blüten kommen halbiert in ein Glas mit Olivenöl. Drei Wochen muss es im Warmen stehen. Das Öl wird dann durch ein Tuch gefiltert, in einen Topf zusammen mit Bienenwachs erwärmt, in Gläser abgefüllt. Dann muss es fest werden und fertig ist eine heilkräftige Salbe.
Der Beinwell, dessen entzündungshemmende und abschwellende und die Gewebeneubildung anregende Wirkung heute besonders in der Sportmedizin Anwendung findet, wurde schon immer gern genommen: Der Brei der Blätter diente als heilendes Pflaster bei Wunden, der Brei der Wurzeln kam bei Knochenbrüchen zu Einsatz. Die Wurzeln enthalten Allantoin, was die Kallusbildung und ein schnelleres Ausheilen fördert.
Auch Wunderwirkungen schrieb man noch lange dieser Pflanze zu. Das Kräuterweib wusste zu berichten: „Ein Apotheker aus dem 18. Jahrhundert pries das Kraut so an: ‚Wenn man diß Kraut sammt der Wurzel in einem Bade wohl siedet und bißweilen die jungen Wittweiber, welche gerne wieder heyrathen wollen darinnen badet, so werden sie gleich wieder zur Jungfrau‘".
Der Wermut, in Maßen bspw. in Tees angewendet, hilft durch seine Bitterstoffe bei Gallen- und Magenbeschwerden und kurbelt den Stoffwechsel an. Doch enthält er auch Thujon, was in größeren Dosen toxisch ist. Der Wirkstoff löst sich besonders gut in Alkohol und fand sich im 19. Jahrhundert im Absinth wieder. Weit unter der damaligen Künstlerszene verbreitet führte dieses Getränk im Übermaß genossen zu Rauschzuständen und Wahnvorstellungen. Besonders bekannt ist wohl das Schicksal Vincent von Goghs, der sich im Rauschzustand sein linkes Ohr abschnitt. Weiter bekannte Absinth-Trinker waren unter anderem Paul Gauguin, Ernest Hemingway, Edgar Allan Poe, Henri de Toulouse-Lautrec, Oscar Wilde und Charles Baudelaire. Absinth wurde 1915 in vielen europäischen Staaten verboten. Seit Ende der 90er Jahre ist er jedoch wieder frei erhältlich.
Die Brennnessel wird oft als lästiges Unkraut abgetan und damit ihre vitalisierende, entschlackende Wirkung übersehen. Auch war wenigen bekannt, dass sie unter unseren einheimischen Pflanzen den höchsten Eisengehalt besitzt und so statt Eisentabletten, die oft Nebenwirkungen haben, als Suppe oder Spinat ausgleichend auf den Eisenhaushalt wirken. Besonders bei ihren Samen sprächen manche von „Viagra“ aus der Natur. Wenn in alten Zeiten ein Bauer sein altes Ackerpferd verkaufen wollte, wurde ihm über einen längeren Zeitraum Brennnesselsamen unter das Futter gemischt. Das Fell des Pferdes bekam einen seidigen Glanz und das Tier generell ein jüngeres Aussehen. Dieser Bauerntrick funktionierte ein Mal und auch ein zweites Mal. Später ließen sich die Käufer davon nicht mehr täuschen und schauten sich das Gebiss der Tiere an, an dem unschwer das wirkliche Alter zu erkennen war. So heißt es wohl seitdem: „Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul.“
In ihren Blättern und Stängeln findet man z.B. Mineralstoffe und Vitamin E. Ihre Brennhaare können zur Anregung der Durchblutung auf schmerzende Stellen aufgelegt werden. Und die schwarzen Raupen an ihren Stängeln werden im Frühjahr zu prächtigen Schmetterlingen, z. B. dem Admiral.
Bei einer Kur mit Brennnesseltee sollte strikt darauf geachtet werden, rät das Kräuterweib, zu jeder Tasse Tee eine Tasse Wasser zu trinken. Der Tee entschlackt den Körper, aber erst das Wasser kann die Stoffe ausschwemmen. Drei ältere Damen, die eine Fasten- und Entschlackungskur mit Brennnesseltee machten und das Wasser vergaßen, hatten nach ein paar Tagen dick geschwollene Knie. Die Ablagerungen suchen sich immer die schwächste Stelle im Körper – also viel Wasser dazu trinken!
Hier wieder ein Rezept für die Verfeinerung von Speisen: Die Brennnesselsamen vorsichtig in einer Pfanne rösten, Salz und Pfeffer dazu geben, danach in die Blüten der Kapuzinerkresse füllen und als Dekoration für kalte Platten verwenden.
Die Pfefferminze, 1696 entdeckt, gehört zu den weltweit etwa 2.000 bekannten Minzesorten, die im Laufe der Zeit durch Spontankreuzungen entstanden.
Pfefferminze wirkt bei Magen- und Gallenbeschwerden, krampflösend. Das ätherische Öl kann zum Einreiben bei Kopf- und Nervenschmerzen sowie zum Inhalieren bei Erkältungskrankheiten verwendet werden. Bei Sodbrennen sollte jedoch kein Pfefferminztee getrunken werden, da seine entkrampfende Wirkung den Austritt der Magensäure fördert.
Destilliertes Pfefferminzwasser, empfiehlt das Kräuterweib, sei eine Erfrischung für die Haut an heißen Tagen. Aber auch ihr „Wiesen-After-eight“ ist in dieser Jahreszeit sehr willkommen. Man nimmt die Minzeblättchen, bestreicht sie mit Kuvertüre und legt sie zum Aushärten in den Kühlschrank. Auch Sahnequark und Sahnejoghurt geschlagen, mit Honig verfeinert und die fein zerkleinerten Blättchen der Pfefferminze untergehoben, das ganze 4 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen ist ein kühler Tipp für heiße Tage.
Allen Anwesenden und dem Team hat die Plauderstunde gut gefallen und sie planen, Angelika Künzel einmal wieder zu einem speziellen Thema aus der Welt der Kräuter und ihrer Heilkräfte einzuladen.