Etwa 12,5 Millionen Menschen in der Bundesrepublik und damit 15,4 Prozent der Bevölkerung galten 2014 als einkommensarm. Darauf macht der am 23. Februar in Berlin vorgestellte „Armutsbericht 2016“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes aufmerksam. Das gute Wirtschaftsjahr 2014 habe zu keinem nennenswerten Rückgang der Armutsquote in Deutschland geführt. Dr. Wolfram Friedersdorff, Präsident der Volkssolidarität, warnte bei der Vorstellung des Berichtes vor allem vor der massenhaft anwachsenden Altersarmut. Die Volkssolidarität gehört zu den weiteren Verbänden und Fachorganisationen, die den Paritätischen Wohlfahrtsverband bei dem Bericht unterstützten.
Der bundesweite Abwärtstrend seit 2006 sei allerdings „erst einmal“ 2014 gestoppt worden, erklärte Verbandsgeschäftsführer Dr. Ulrich Schneider. Die nächsten Jahre würden zeigen, ob damit eine Trendwende begann. In vielen Bundesländern sei die Armut statistisch zurückgegangen, so Schneider, darunter auch in Ostdeutschland und Berlin. Allerdings habe sich gerade in Nordrhein-Westfalen der Negativtrend fortgesetzt. Das Ruhrgebiet bleibt dem Bericht zufolge mit Blick auf Bevölkerungsdichte und Trend die armutspolitische Problemregion Nummer Eins in Deutschland. Seit 2006 sei die Armutsquote im Ruhrgebiet um 27 Prozent auf einen neuen Höchststand von 20 Prozent angestiegen.
Schneider machte u.a. auf die Bevölkerungsgruppen aufmerksam, die besonders häufig von Armut betroffen seien: Erwerbslose (58 Prozent), Alleinerziehende (42 Prozent), Ausländer (33 Prozent, Niedrigqualifizierte (31 Prozent) und kinderreiche Familien (25 Prozent). Alarmierend sei die Entwicklung insbesondere bei Rentnerhaushalten, heißt es in dem aktuellen Armutsbericht. Erstmalig seien sie mit 15,6 Prozent (3,4 Millionen) überdurchschnittlich von Armut betroffen. Die Quote der altersarmen Rentnerinnen und Rentner sei seit 2005 um 46 Prozent und damit so stark angewachsen wie bei keiner anderen Bevölkerungsgruppe. „Ein solcher Anstieg, eine solche Rasanz ist völlig beispiellos“, sagte der Verbandsgeschäftsführer. „Es ist eine Armut, die sich zum Großteil ganz knapp oberhalb des Sozialhilfeniveaus bewegt. Leider bleibt sie bei vielen Akteuren damit zugleich unterhalb der politischen Wahrnehmungsschwelle.“ Schneider forderte einen politischen Kurswechsel, um die „hausgemachten Armutsprobleme“ bewältigen zu können. Das unterstützte der Präsident der Volkssolidarität Dr. Friedersdorff ebenso wie die anwesenden Thomas Krüger, Präsident des Deutschen Kinderhilfswerks, Werena Rosenke, stellvertretende Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Wohnungslosenhilfe, und Günter Burkhardt, Geschäftsführer von ProAsyl.
„Wir gehen davon aus, dass bereits heute deutlich mehr als eine Million Senioren in Armut leben und kaum eine Chance haben, dieser Lebenslage zu entrinnen“, so Friedersdorff. Die Volkssolidarität bezieht sich auf jene, die heute schon Grundsicherung im Alter (rund 780 Euro monatlich) erhalten, und jene Älteren, die auf Hilfe zur Pflege oder auf Wohngeld angewiesen sind. Der Armutsbericht geht von der offiziellen sogenannten Armutsgefährdungsschwelle aus, die für eine Person derzeit mit 917 Euro monatlich angegeben wird.
Verbandspräsident Friedersdorff stellte klar, die Armut hierzulande sei „das Ergebnis von Weichenstellungen, für die die Politik maßgeblich Verantwortung trägt“. „Die Folgen von Arbeitslosigkeit, Niedriglöhnen und prekärer Beschäftigung schlagen sich zunehmend in Erwerbsbiografien mit niedrigen Rentenansprüchen nieder.“ Die Altersarmut für immer mehr Menschen führe u.a. dazu, dass Ältere immer mehr ausgegrenzt würden. Die Volkssolidarität fordere, wirksam Altersarmut vorzubeugen. Dazu gehöre, „das Leistungsniveau in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht weiter herunterzufahren“. „Wir wollen eine strukturell armutsfeste Rente“, stellte der Präsident der Volkssolidarität klar und sprach sich gegen eine „Lebensleistungsrente“ aus, „die Symptome kuriert und nicht verhindert, dass eine wachsende Anzahl von Menschen in die Grundsicherung im Alter fällt“.