Die Volkssolidarität kämpft für die Einführung einer Kindergrundsicherung
Seit Januar 2018 ist die Volkssolidarität Mitglied im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG. Der Verband setzt sich zusammen mit 13 anderen Verbänden wie dem Deutschen Kinderschutzbund Bundesverband e. V., dem Deutschen Kinderhilfswerk e. V., dem Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband – Gesamtverband e. V., dem Arbeiter-Samariter-Bund e. V. oder dem Arbeiterwohlfahrt Bundesverband e. V. für eine einkommensabhängige Kindergrundsicherung für alle Kinder ein.
Anlässlich seines 10-jährigen Bestehen möchte das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG noch einmal mit Nachdruck durch viele Aktionen auf sein Anliegen und seine Ziele aufmerksam machen.
Kinderarmut und ihre Folgen
Die Zahl von Armut bedrohter Kinder und Jugendlicher steigt von Jahr zu Jahr. Der „Datenreport 2018“ der Bundesregierung belegt, dass fast jedes sechste Kind in Deutschland in Verhältnissen nahe oder unter der Armutsgrenze lebt. Manche Statistiken gehen sogar von jedem fünften Kind aus. Oft werden dabei die Lebensverhältnisse von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Damit steigt für viele dieser jungen Menschen z. B. die Wahrscheinlichkeit einer ungesunden Lebensweise und das Risiko körperlich und auch psychisch zu erkranken. Armut ist zudem fast immer gleichbedeutend mit deutlich geringeren Chancen auf eine gute weiterführende Bildung sowie die aktive Teilhabe an unserer Gesellschaft (z. B. durch Konzert- oder Kinobesuche, Vereinssport, Instrumentalunterricht, Urlaubsreisen, Familienausflüge usw.).
Leistungen für Familien werden kaum in Anspruch genommen
In Deutschland gibt es für einkommensschwache Familien durchaus die Möglichkeit, verschiedene Leistungen zu beantragen, um ihren Kindern und Jugendlichen mehr Teilhabe zu ermöglichen. Zu diesen familienbezogenen Leistungen gehören beispielsweise der Kinderzuschlag oder das Bildungs- und Teilhabepaket, mit dem u. a. der Schulbedarf, das Mittagessen, das Schülerticket, die Lernförderung oder auch Sonderbedarfe wie z. B. Klassenfahrten finanziert werden können.
Untersuchungen, wie die Kurzexpertise des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes vom September 2018, zeigen jedoch, dass mehr als 85 Prozent aller leistungsberechtigen Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 15 Jahren nicht von den Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets profitieren, weil diese gar nicht erst beantragt werden. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie liegen sowohl beim permanent wiederkehrenden bürokratischen Aufwand bei der Antragstellung aller Einzelleistungen als auch beim Gefühl der Stigmatisierung, das viele Eltern als belastend und erniedrigend empfinden, wenn sie finanzielle Unterstützung für die Versorgung ihrer Kinder benötigen.
Die Zahlen zeigen deutlich, dass das notwendige kindliche Existenzminimum auf Grundlage der derzeitigen Regelungen für familienbezogene Leistungen von der Bundesregierung in Deutschland nicht für alle Kinder gesichert werden kann.
Ziel: Kinderarmut vermeiden
Das Konzept des Bündnisses KINDERGRUNDSICHERUNG will Kinder und Jugendliche aus dem stigmatisierenden Bezug von SGB II-Leistungen und verdeckter Armut herausholen und soll deshalb vorrangig vor anderen Sozialleistungen ausgezahlt werden. Aber auch mittel- bis gut verdienende Familien werden durch die Kindergrundsicherung stärker als bisher entlastet. Als einfache und transparente Einzelleistung verläuft das Beantragungsverfahren über nur eine Behörde (die Familienkasse) deutlich unbürokratischer als es derzeit für alle einzelnen Leistungen der Fall ist. Dadurch können die Familien, aber auch Politik und Verwaltung viel besser kalkulieren und planen.
Die Kindergrundsicherung ist dabei als reine Geldleistung zu sehen. Um eine wirkliche Chancengerechtigkeit für Kinder in Armut herzustellen, braucht es natürlich auch den Ausbau von Infrastrukturleistungen. Dazu gehören sowohl ausreichende und ganztätige Krippen-, Kita- und Hortplätze als auch ein umfassendes Freizeitangebot für Kinder und Jugendliche, Angebote der Familienbildung sowie universelle Möglichkeiten der Förderung für Kinder und Jugendliche. Zudem ist die Schaffung eines familienfreundlichen Verkehrsnetzes in allen Regionen des Landes unabdingbar, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Hier sind Bund, Länder und Kommunen nachdrücklich gefordert, die dafür notwendigen strukturellen Bedingungen zu schaffen und allerorts zu stärken, um eine Chancengleichheit für Kinder und Jugendlichen in allen Teilen des Landes zu ermöglichen.
Das Wesen der Kindergrundsicherung
In der Kindergrundsicherung sollen alle derzeit existierenden pauschal bemessenen Transferleistungen für Familien aufgehen. Dazu gehören z. B. das Kindergeld, der Kinderzuschlag, Sozialgeld und der Unterhaltsvorschuss. Sie wird ab Geburt an alle Kinder als weitgehend unbürokratische Einzelleistung ausgezahlt.
Auf Grundlage des zweijährlich erscheinenden Existenzminimumberichts der Bundesregierung fordert das Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG deshalb eine „gestufte Kindergrundsicherung, die allen Kindern das sächliche Existenzminimum […] garantiert“. Zudem sollen alle kostenpflichtige Leistungen für Bildung, Betreuung und Erziehung als Pauschale in die Kindergrundsicherung mit einfließen. Das ergibt nach den Berechnungen von 2018 eine monatliche Leistung in Höhe von 619 Euro pro Kind bis zum 18. Lebensjahr, die vor allem Familien ohne oder mit geringem Einkommen in voller Höhe zukommen soll. Bei steigendem Einkommen wird diese Leistung dann bis auf einen Mindestbetrag von knapp 300 Euro abgeschmolzen, der in etwa dem Kinderfreibetrag entspricht. Die Höhe der Kindergrundsicherung wird regelmäßig neu berechnet und an die Inflationsrate angepasst.
Die Kindergrundsicherung soll dabei ausschließlich pauschal bemessene Transferleistungen ersetzen. Familien sollen weiterhin den Anspruch haben, Sonder- und Mehrbedarfe, z. B. für behinderte und kranke Kinder, überdurchschnittliche Wohnkosten, Umzüge oder Klassenfahrten, auf Antrag von ihrem Grundsicherungsträger zu erhalten.
Wer soll das bezahlen?
Als Refinanzierung der Kosten für eine Kindergrundsicherung schlägt das Bündnis den Rückfluss von Steuereinnahmen sowie die Abschaffung des Ehegattensplittings vor. Die Finanzierungslücke könnte zudem durch Vorhaben wie die Wiedereinführung einer moderaten Vermögenssteuer, die Anhebung der Erbschaftssteuer, die Einführung einer Börsenumsatzsteuer oder einen „Kinder-Soli“ auf großes Vermögen geschlossen werden. Die Bündnismitglieder gehen zudem davon aus, dass die Einführung einer Kindergrundsicherung mit dem Abbau hoher Bürokratiekosten sowie der Entstehung positiver Beschäftigungsimpulse, insbesondere für Mütter, verbunden sein würde. Wenn durch die Kindergrundsicherung zudem viele negative Folgen von Armut vermieden werden, fallen auch kostenintensive Methoden zur Bekämpfung dieser Folgen weg.
Perspektive Kindergrundsicherung für Deutschland
Immer mehr Vertreter*innen von Parteien und Verbänden wenden sich angesichts der steigenden Zahlen armer Kinder und fehlender Inanspruchnahme familienbezogener Leistungen dem Konzept einer Kindergrundsicherung zu. Es braucht Mut und das Engagement aller Akteur*innen aus Politik, Medien, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft, um diese große Reform als konsequente Lösung voranzutreiben und zu verwirklichen.
Der Bundesverband der Volkssolidarität wird sich deshalb im Bündnis KINDERGRUNDSICHERUNG weiterhin engagiert für dieses Ziel einsetzen und wirbt um Unterstützung auf allen Verbandsebenen!