Aufbruch im Chemnitzer Flugwesen (1926 – 1932)

Mit der Inbetriebnahme des neu errichteten Flughafens an der Stollberger Straße begann die Hohe Zeit im Chemnitzer Flugwesen. 

Am 3. Mai 1926 erfolgte die reguläre Aufnahme des Flugbetriebes zur Personen-, Post- und Frachtgutbeförderung. Diesen realisierten die Deutsche Lufthansa und die Nordbayerische Verkehrsflug AG (ab 22. Dezember 1930 Deutsche Verkehrsflug AG) auf den Fluglinien Chemnitz-Plauen-Fürth/Nürnberg, Chemnitz-Leipzig-Braunschweig-
Hannover-Bremen (die sogenannte Baumwoll-Linie, die später noch rückwärtig bis Prag und Wien geflogen wurde) und Chemnitz-Dresden. Dazu kam später noch die Bäderlinie Chemnitz-Karlsbad-Marienbad, die zeitweilig auch bis Berlin geführt wurde. Und natürlich gehörte auch der alljährliche Messe-Sonderflugverkehr beider Fluggesellschaften nach Leipzig zum Preis von 20 Mark hinzu. 

Chemnitz verfügte damit über direktem und indirektem Anschluss zu 90 Städten Deutschlands und Europas. Damit war z. B. London von Chemnitz aus in sieben Stunden erreichbar. Später kamen noch indirekte Verbindungen in die Türkei und sogar nach Indien zustande. Chemnitz entwickelte sich dabei zu einen zuverlässigen Grenz- und Zivilflughafen. 

Sein maximales Leistungsvermögen erreichte der Flughafen Chemnitz 1930 bei 1.094 Starts und Landungen mit der Beförderung von 3.684 Passagieren, 43.846 kg Fracht, darunter 2.442 kg Zollgut und 7.135 kg Post. Dazu kamen dann noch Sonder- und Rundflüge über Chemnitz und dem Erzgebirge mit vielseitigen Ganzmetallkabinen-Flugzeugen. Der Flughafen Chemnitz war einbezogen in die Bodenorganisation der Zentralen Flugsicherung, die Luftpostbeförderung und den Zeitungs-Spezialdienst Berlin. Der Flughafen besaß seit dem 12. September 1926 das Restaurant „Ikarus“.
Mit Fug und Recht kommentierte daher die Presse: „Die Entwicklung des Chemnitzer Flugwesens berechtigt zu den schönsten Hoffnungen … Man darf annehmen, dass dem Chemnitzer Flughafen eine bedeutungsvolle Zukunft bevorsteht, die für die ganze Stadt segensreich und nutzbringend sein wird.“

Leider ist diese Prophezeiung  bis heute nicht aufgegangen. Doch auch so ging nicht immer alles glatt. So scheiterte der Versuch, nach Herstellung einer Lufttaxi-Verbindung zwischen Chemnitz-Gera-Rudolstadt daran, dass Gera keinen Subventionsanteil übernahm.

Vom 1. November 1931 bis zum 1. Mai 1931 musste der planmäßige Luftverkehr im Gefolge der Weltwirtschaftskrise ganz eingestellt werden.

Doch in der Blütezeit des Chemnitzer Flugwesens wurden Tausende aus Stadt und Umgebung durch attraktive Veranstaltungen für Flugschauen aktiviert. Dazu eine kleine Auswahl:

Am 27. Juni 1926 bietet der Luftakrobatik-Europameister Harry Fink vor großem Publikum artistische Übungen an einem Flugzeug bei eine Geschwindigkeit von 140 km/h. 

Beim „Sachsenflug 1927“ erleben 30.000 Zuschauer aus ganz Deutschland im Streckenflug, Gipfelflug und Geschwindigkeitsentscheid. 

Am 16. September 1928 erringt Ernst Udet mit fünf Loopings in 200 Meter Höhe den Titel „Chemnitzer Fliegermeister“. 

Beim Großflugtag am 26. Mai 1929 bewunderten tausende an Zuschauern vor allem die Kunstflüge des französischen „Königs der Lüfte“ Doret. 

Am 4. September 1929 kamen erstmals sieben Eigenbau-Flugzeugmodelle zur Vorführung. 

Ein absoluter Höhepunkt im Chemnitzer Fluggeschehen war die Landung des Zeppelin-Luftschiffes LZ 127 am 16. November 1930 auf dem Flugplatz Chemnitz. Das 235,50 m lange und 20 m breite von Flugkapitän Hugo Eckener geführte Luftschiff hatte Chemnitz, durch fünf Maybach-Motoren getrieben, von Friedrichshafen aus mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 115 km/h erreicht. 

Der Sommerflugtag der Sächsischen Fliegerschule brachte zwei Novitäten nach Chemnitz: Erstmals erlebten seine Bewohner einen Segelflug über der Stadt mit dem Weltrekord-Segelflieger Wolf Hirth. Dr. Schröter-Vorescou brillierte mit einem Fallschirmsprung aus 700 m Höhe im freien Fall in einen Zielkreis mit einem Durchmesser von 100 m. 

Schließlich wurde vom 15. Bis 19. Oktober 1932 aus dem Chemnitzer Flugplatz das seinerzeit modernste Ganzmetall-Großflugzeug der Welt Junkers G 38 präsentiert.

In dem avisierten Zeitraum war auch eine rege flugsportliche Tätigkeit zu verzeichnen. So errang Otto Bertram am 20. September 1926 beim Nationalen Freiballon-Wettbewerb über die Nordsee nach 16,5-stündiger Fahrt bis Jütland den Sieg. An der Freiballon-Verfolgungsfahrt vom Chemnitz bis zum Pöhlberg nahmen 46 Pkw und 22 Motorräder teil. Der Chemnitzer Verein für Luftfahrt und Flugwesen, der 1931 668 Mitglieder zählte, verzeichnete in diesem Jahr 960 Flüge mit seinem Motorflugzeug „Chemnitz“. Seine beiden Freiballone „Chemnitz“ und „Hindenburg“ und seine zwei Gleit- und Segelflugzeuge führten insgesamt 547 Fahrten und Flüge aus und beförderten dabei 451 Passagiere. Am 30. Juni 1929 schlossen 80 Teilnehmer den ersten Luftfahrtlehrgang ab, von denen 52 die Note „gut“ erlangten. Am 14. Juni 1932 schließlich öffnete eine Flugschule zur Ausbildung von Motorflugzeugführern ihre Pforten.

aus VS Aktuell 1/2019, erschienen im  VS Aktuell   VS Aktuell 1/2019 Aus der Stadtgeschichte