Weihnachten gehört zu jenen Festen, die kaum einen Menschen unberührt lassen. Und so ist es von alters her. Deshalb sind die Gebräuche sowohl heidnischen wie auch christlichen Ursprungs.
Ein wichtiges Festsymbol ist der Weihnachtsbaum. Seine eigentliche Heimat ist der Elsaß. In Chemnitz hielt er 1775 seinen Einzug. Dabei war es nicht nur eine Fichte oder Tanne, sondern auch noch im 19. Jahrhundert eine Eibe. So heißt es in einem Gedicht zum Weihnachtsfest im „Chemnitzer Anzeiger“ vom 24. Dezember 1818: „Der ersehnte Abend winket / Kinder gebt der Freude Raum! / auf dem runden Tische blinket / der erhellte Taxusbaum.“ Zuvor existierten aber in unserem Raum bereits die Pyramide und der Weihnachtsberg mit Darstellungen der biblischen Geschichte. Der Weihnachtsbaum musste sich deshalb seine Gleichstellung erst erkämpfen. Und das ist ihm aber vollends gelungen.
Großer Beliebtheit erfreuten sich am Weihnachtsabend zwei Veranstaltungen. Das eine war die Christvesper, die ursprünglich nur in der Jakobikirche stattfand und erst vor 100 Jahren auf die anderen Kirchen der Stadt ausgedehnt wurde. Das andere war der so genannte „Christakt“, ein Weihnachtsbrauch im 17. Jahrhundert, der heute vollkommen in Vergessenheit geraten ist. Er bestand in der Aufführung von Weihnachtsspielen durch die Schüler der Chemnitzer Lateinschule unter der Regie des Stadtkantors am Nachmittag des Heiligabends auf dem Marktplatz. Doch mit der Zeit traten die biblischen Legenden mehr und mehr in den Hintergrund und wurden durch theatralische Überhöhung und Verfremdung verdrängt. Deshalb wurden die Aufführungen 1739 durch Edikt „wegen der Christabend Ahlfanzereien“ verboten.
Eine ganz große Rolle spielte natürlich, wie könnte es auch anders als heute sein, das Weihnachtsgeschäft. Das realisierte sich in zweierlei Hauptformen: einmal in den von den Geschäften der Stadt in ihren Räumlichkeiten veranstalteten Weihnachts-Ausstellungen und zum anderen im Weihnachtsmarkt. Um sich dabei orientieren zu können, vor allem aber zur Präsentation und um Käufer anzulocken, wurde gratis ein so genannter „Führer durch den Chemnitzer Weihnachtsmarkt“ verteilt. Das jeweilige Geschäft präsentierte sich mit seinem Angebot in Gestalt einer detaillierten Anzeige und erhielt dazu vom Herausgeber eine Empfehlung in Versform. Er erschien das erste Mal 1883. In den Jahren 1901/1902 erschien dann ein „Weihnachtsbote und Geschäftsanzeiger“. Der Weihnachtsmarkt, wie wir ihn heute verstehen, hatte seinen Standort in alter Zeit auf dem Marktplatz oder auf dem Brühl oder auch auf dem Anger, dem heutigen Theaterplatz und nannte sich Christmarkt. Der Verkauf von Weihnachtsbäumen wiederum erfolgte z.B. am Nikolaigraben, d. h. der Theaterstraße. Drei Tage vor dem ersten Weihnachtsfeiertag erschienen Hunderte von Händlern, Schaubudenbesitzern und Artisten aus nah und fern in der Stadt, boten ihre Erzeugnisse feil und sorgten für allerlei Kurzweil und Amüsement. Um dabei die Ordnungsmäßigkeit zu gewährleisten, erließ der Rat der Stadt dazu jeweils eine „Ordnung für die Christmärkte“. Und dann endlich war es so weit, wie ein Reim von 1892 darstellte: „Herr und Mama Wunderlich / rüsten voller Eifer sich / in die Stadt zu gehen / um, das Portemonnaie voll Moos / in den Läden, glänzend groß / forsch sich umzusehen.“ Angefügt sei noch ein interessantes Inserat aus dem „Chemnitzer Anzeiger“ vom 24. Dezember 1800: „Das Festbacken auf dem ersten Weihnachtsfeiertag, wo nur ganz allein bei mir und in den Brotbänken neubackene Ware gleich mit dem frühesten zu bekommen ist, hat Christ.Biling am Johannistor.“
Vergessen werden darf in unserer historischen Reminiszenz auf keinen Fall das Essen. Dafür gab es früher ganz feste Regeln. Das Mittagsgericht am Heiligabend sollte nur aus Kartoffeln und Linsen bestehen. Auf keinen Fall durfte Fleisch dabei sein. Als „besseres“ Mittagsmahl für gut gestellte Bürger, die es sich leisten konnten, war nur Karpfen aus dem Stadtgraben erlaubt. Am Abend gab es dann das so genannte „Neunerlei“, um sich für das kommende Jahr immer einen reich gedeckten Mittagstisch zu sichern. Es durfte aber bei den ärmeren Schichten auch etwas „Quellendes“, also Grütze, Hirse oder Reis sein. Ganz streng wurde, im Gegensatz zu heute, wo Weihnachtsbackwaren bereits im Oktober in den Geschäften erhältlich sind, darauf geachtet, dass der Weihnachtsstollen nicht vor dem Heiligabend angeschnitten werden durfte, weil das schreckliches Unheil bringen würde. Auch den Haustieren wurde am Heiligabend etwas „Besonderes“ gefüttert. Und man durfte auch nicht vergessen, um einer guten Ernte im nächsten Jahr willen, am Weihnachtsabend die Obstbäume kräftig zu schütteln.
Solcherart verwirklichte sich dann, was der „Chemnitzer Anzeiger“ am 24. Dezember 1818 schrieb: „Die Weihnachtszeit setzt das Familienleben in große Bewegung und wird eben dadurch ein allgemeines Familienfest“.