Petitionen als Mittel der Bürgerbeteiligung

Ein Beispiel aus dem Chemnitzer Stadtrat zur Linienführung der Buslinie 51

Das lateinische Wort „Petitio“ steht für eine Eingabe oder Bittschrift an eine zuständige Stelle. Das kann bspw. eine Volksvertretung wie der Stadtrat sein. Um mit diesem Instrument die Abhilfe eines Problems zu ersuchen, bedarf es einiger Formalien. Handelt es sich um eine kommunale Angelegenheit, kann man sich über das Bürgeramt oder die Internetseite der Stadt informieren, welche Kriterien zu beachten sind. Als Petent eine Petition einzureichen, scheint einfach, ist es jedoch oft nicht.

Am Beispiel einer Petition, die im Interesse vieler Senioren gestartet und von mir begleitet wurde, zeigt sich ein mühseliger Verlauf. Ihr Ausgangspunkt waren Versammlungen von Senioren in einer großen Wohnanlage, in denen beklagt wurde, dass mit der Umstellung des neuen Nahverkehrsplanes im Dezember 2017 eine langjährige Anbindung der Buslinie 51 an die nahe Haltestelle weggefallen sei. Dabei hatten sich viele ältere Menschen aufgrund der guten Busanbindung gerade für diese Wohngegend entschieden. Waren doch bspw. Hauptbahnhof, Theaterplatz und Innenstadt bisher als Direktverbindung für Anwohner vom Rand des Yorck-Gebietes, Sonnenberg und vor allem von den Bewohnern der Zöllnerstraße/Str. der Nationen („StraNa“) erreichbar. Für die Senioren gab es zudem dank der Linie 51 die kurze Verbindung zum Einkaufscenter „Sachsen-Allee“ sowie zu einer großen Reha-Einrichtung und den Kliniken am Zeißigwald.

Die Haltestelle wurde nun an den Wilhelm-Külz-Platz verlegt und der Bus fährt nicht mehr die „StraNa“ entlang sondern über die Mühlenstraße, um den Brühl als weiterzuentwickelndes innerstädtisches Wohnquartier besser anzubinden.  Das ist zwar nachvollziehbar, dennoch bleiben jene wortwörtlich auf der Strecke, die besonders auf ein engmaschiges Nahverkehrsangebot angewiesen sind: unsere Senioren, die nun über unebene Gehwege zum weiter entfernten Haltepunkt laufen müssen.

Es geht aber auch um einen weiteren Nutzerkreis. Ursprünglich wurde die „StraNa“ ausgebaut, um Straßenbahn- und Buslinien zu verknüpfen, damit man aus der einen Linie aus- und in die andere einsteigen kann. Zwei engagierte Bürger haben Unterschriften gesammelt, mehr als 550 von Menschen, die um die Zöllnerstraße herum wohnen, und weitere über 100 aus Richtung der „Yorck-Gebietler“. Die „Petition zur Wiederherstellung der Linienführung 51 ab Bushaltestelle Zöllnerstr. in Richtung Stadtzentrum bzw. in Gegenrichtung ‚Einkaufzentrum Sachsen-Allee“ reichte Robby Franke Anfang 2018 ein.

Die Behandlung der Petition wurde vertagt, da die Mehrheit der Stadträte noch den aktuellen Bericht mitsamt der Auswertung der von der CVAG 2018 vorgenommenen Fahrgastbefragungen zu Entwicklungen seit der Einführung des neuen Angebotsnetzes abwarten wollte.

Die umfangreiche Informationsvorlage an die Stadträte beinhaltet etliche Varianten alternativer Linienführungen, mit ihren Vor- und Nachteilen sowie deren Ausschlusskriterien. Sie ist eine gute Basis für sachliche Entscheidungen. Die Empfehlung der CVAG lautet, es solle bei der erfolgten Umstellung der Linie 51 bleiben, da Änderungen andere Probleme und auch Kosten verursachen würden. Zudem wäre nur ein kleiner Kreis an Menschen betroffen.

Die Vorlage ergibt ein ausgewogenes Bild zwischen Befürwortern und unzufriedenen Nutzern. Beim Betrachten der dargestellten Zahlen (282 Teilnehmer) fällt auf, dass anscheinend die vielen Unterschriften der Petition nicht mit in die Bewertung eingeflossen sind. Ich stellte diesbezüglich eine Ratsanfrage, welche leider bis zur entscheidenden Sitzung unbeantwortet blieb.

Einige Tage vor der Stadtratssitzung im Februar 2020 wurde die Petition im Ausschuss für Stadtentwicklung und Mobilität besprochen. Robby Franke wurde eingeladen und durfte eine kurze Einführung zur Problematik des Anliegens geben. Die Ausschussmitglieder konnten jedoch keine abschließende Empfehlung für die Stadtratssitzung finden.

Die Fraktionsgemeinschaft Die Linke/Die Partei reichte einen Änderungsantrag ein,  welcher der Petition teilweise Abhilfe schaffen sollte. Ich finde, dass es zumindest eine Alternative für die betroffenen Menschen darstellt und warb in meiner Rede zur Ratssitzung die Stadträte um eine breite Zustimmung.
Leider zeigt das Abstimmungsergebnis (21 dafür / 28 dagegen / 3 Enthaltungen), dass das Engagement im Sinne der beteiligten Bürger ohne zielführendes Ergebnis geblieben ist. Möglicherweise fahren die meisten Ratsmitglieder recht selten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und können sich so kaum die Situation vorstellen. An und für sich gehört das Anliegen, welches größtenteils von Senioren getragen wird, zur Vorberatung in den Seniorenbeirat.

aus VS Aktuell 1/2020, erschienen im  VS Aktuell 1/2020 Aus der Stadtratsarbeit